Opposition fordert eine Krankenkasse für ganz Österreich. | SVA: Vertrauensarzt soll Lotse im System sein. | Wien. Der vertragslose Zustand ab 1. Juni zwischen Ärztekammer und Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA) ruft Kritiker auf den Plan. Die Opposition verlangt als Konsequenz die Zusammenlegung der Krankenversicherungen. BZÖ-Gesundheitssprecherin Ursula Haubner verlangte eine einheitliche Leistungsfinanzierung und -honorierung der Gesundkeitskosten für ganz Österreich. Auch die grüne Wirtschaftssprecherin Ruperta Lichtenecker forderte "eine Krankenversicherung für alle mit neun Zweigstellen".
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Die SVA will unterdessen den ersten Schritt unter den Kassen wagen und vom derzeitigen Gesamtvertrag - Ärztekammer und Kassen regeln darin Honorare für bestimmte Arztleistungen - abgehen. Eckpunkte dafür hat die SVA der Ärztekammer bereits überreicht. Der stellvertretende SVA-Obmann Martin Gleitsmann sieht "im vertragslosen Zustand auch eine Chance, dass man sich eher auf ein neues Modell einigt".
In diesem neuen Modell suchen sich Patienten einen Arzt ihres Vertrauens. Dieser fungiert dann als Wegweiser durch das gesamte System. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen. Die Honorierung erfolgt ergebnisorientiert. Dafür muss es Qualitätsindikatoren geben. Ärzte werden in diesem neuen Modell nicht mehr nach Frequenzen - nach Quantität -, sondern nach Qualität bezahlt. Patienten würden dort versorgt werden, wo es für sie am besten sei. Ähnliche Vorschläge gibt es auch vom Hausärzteverband.
Die SVA habe Verständnis für die Sorgen und Unsicherheiten der Ärzte, dass sie dann vielleicht weniger verdienen könnten. Dafür, so Gleitsmann, biete die Versicherung ein fixes Budget. Jedenfalls sollte man die Monate des vertragslosen Zustands nützen, um die Eckpunkte zu fixieren. Gleitsmann hofft, dass man bis Herbst mit der Ärztekammer ein neues System der Zusammenarbeit findet und damit wieder in einem Vertrag agiert. Für ein neues Verrechnungsmodell rechnet Gleitsmann mit sieben bis zehn Monaten.
Tipps für Patienten in vertragsloser Zeit
Was müssen aber die Patienten bis dahin beachten?
* Der erste Schritt ist, dass Patienten zu ihrem Vertrauensarzt gehen und ihn fragen, ob er weiterhin über die E-Card abrechnet. Die SVA hat allen Ärzten, die dies tun, eine vierprozentige Honorarerhöhung angeboten. In diesem Fall läuft alles wie bisher.
Ärzte, die weiterhin über die E-Card verrechnen, müssen sich nicht deklarieren.
* Falls der Arzt eine Abrechnung über die E-Card ablehnt, können Versicherte auf der Website der SVA (www.svagw.at) oder telefonisch über das Callcenter (05 08 08 - 3000) Wahlärzte in ihrer Nähe erfragen, mit denen die SVA ein Verrechnungsabkommen geschlossen hat.
* Als weitere Alternative bieten sich Spitalsambulanzen oder Ambulatorien der Gebietskrankenkassen an. In all diesen Fällen wird ebenfalls direkt mit der SVA verrechnet. Stationäre Spitalsaufenthalte, Zahnärzte, Laboratorien, Physikalische Institute, CT-/MR-Institute und Mehrfachversicherte sind vom vertragslosen Zustand nicht betroffen.
* Rezepte gelten in einem vertragslosen Zustand als Privatrezepte und müssen umgeschrieben werden. Dazu haben sich die Apotheken bereiterklärt.
* Die SVA wird voraussichtlich in den Bezirken ärztliche Versorgungsstellen einrichten, die etwa die Medikation für chronisch Kranke vornehmen.
* Für sozial Bedürftige (etwa Ausgleichszulagenbezieher) gibt es einen Arztkostenvorschuss auf Antrag.
* Patienten, die beim Arzt zahlen müssen, können die Rechnung bei der SVA einreichen.
SVA warnt Ärzte: "Es gibt eine Zeit danach"
Die Ärztekammer hat ihren Mitgliedern empfohlen, die Honorare um 20 Prozent anzuheben. Laut Vizepräsident Günter Wawrowsky könnte ein Ordinationsbesuch zwischen 15 und 35 Euro kosten. Es kann aber auch sein, dass Ärzte den vertragslosen Zustand ausnützen und ihren Patienten 60 Euro und mehr verrechnen. Weil aber die Versicherung nur 80 Prozent des Tarifs abgilt, den sie Ärzten zahlt, macht das höchstens 10 Euro aus. Die SVA schickt an die Versicherten eine Liste mit den wichtigsten Tarifen aus.
Sollten Ärzte nun mit ihren Honoraren übertreiben, warnt Gleitsmann: "Es gibt eine Zeit danach." Man werde jene Ärzte, die den vertragslosen Zustand nützen, sicher scharf im Auge behalten.