Zum Hauptinhalt springen

Chance zur Erneuerung

Von Brigitte Pechar

Leitartikel
Brigitte Pechar ist Leiterin des "Österreich"-Ressorts.

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Am Ende ist ein Kompromiss bei den Tarifverhandlungen der Metaller doch noch gelungen. Aber viel hat nicht gefehlt, und es wäre zum Streik gekommen. Erleben wir nun ein letztes, vergebliches Aufbäumen der legendären Sozialpartnerschaft gegen ihren Untergang oder doch den Anfang ihrer Erneuerung? Hat sie in einer Zeit zunehmender Konfrontationen ihre Daseinsberechtigung verloren oder ist sie gerade in Konfliktzeiten wichtiger denn je? Die Sozialpartnerschaft - ein institutionalisierter Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern - wurde in Österreich perfektioniert. Rudolf Sallinger (WKÖ-Präsident von 1964 bis 1990) und Anton Benya (ÖGB-Präsident von 1963 bis 1987) gelten als d i e Verkörperung der Sozialpartnerschaft, mit der Devise: "Wir wer’n kan Richter brauchen."

Von einer Schattenregierung war lange Zeit die Rede, schließlich ging nichts ohne den Segen der großen vier (WKÖ, ÖGB, AK und Landwirtschaftskammer). Gerade der zunehmende Einfluss der Nebenregierung wurde aber auch zum Problem. Der Strukturkonservativismus, der der Sozialpartnerschaft innewohnt, führte immer öfter zu Blockaden. Die Regierung Wolfgang Schüssel I beendete den Paarlauf und ging erstmals in der Zweiten Republik auf Distanz. Das ging auf Kosten der Arbeitnehmerseite. Diese versuchte mit einer Großdemonstration gegen die Pensionsreform, den Machtverlust abzuwehren.

Unter Rot-Schwarz ab 2006 gewann die Sozialpartnerschaft wieder ein Stück ihres Einflusses zurück. Türkis-Blau will nun erneut keine Schattenregierung neben sich dulden.

Die Abgrenzung der Bundesregierung kann aber auch als Befreiung gesehen werden. Verantwortung ist wieder dort angesiedelt, wo sie hingehört: im Parlament. Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass die Sozialpartnerschaft keine Zukunft mehr hat, obwohl die bestehenden Gräben bei den Metallerverhandlungen deutlich sichtbar wurden. Jetzt liegt es an den Akteuren von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, eine neue, zukunftsfähige Form der Konfliktlösung, aber auch der Themensetzung zu finden.

Vielleicht kann ja der Bad Ischler Dialog, bei dem die Sozialpartner seit Jahren Zukunftsfelder beackern, als Vorbild dienen. Indem Arbeitgeber und Arbeitnehmer Positionen erarbeiten und diese als Lobbyisten umzusetzen versuchen, könnten sie wieder zu einer treibenden Kraft werden und von Besitzstandswahrern zu Ideengebern werden. Dann müsste die Arbeitnehmerseite nicht fürchten, unter einer Regierung ohne SPÖ unter die Räder zu kommen. Gleichzeitig könnte das eine Versicherung für die Arbeitgeber sein, in einer künftigen Regierung ohne ÖVP ebenfalls auf Gehör zu stoßen.