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Monatelang wurde diskutiert und verhandelt. Vorschläge aller Art standen im Raum. Vor wenigen Tagen war es soweit: Die Sozialpartner haben sich auf eine gemeinsame Linie bei der Reform der Zumutbarkeitsbestimmungen in der Arbeitslosenversicherung geeinigt. Ziel war und ist es, die Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz zu verbessern.
Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Und auch die Arbeitslosigkeit stieg stetig an. Die durchschnittliche Vermittlungsdauer für einen neuen Job liegt derzeit bei 106 Tagen - keine schlechte Zeit im internationalen Vergleich, aber man kann noch besser werden. Genau auf diese Probleme galt es zu reagieren. Wir sind überzeugt, dass mit den Vorschlägen der Wirtschaftskammer Österreich und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan wurde. Ein Schritt zur effizienteren und schnelleren Vermittlung von neuen Jobs.
Kernpunkt für die Aufrechterhaltung der Qualifikation der Arbeit Suchenden ist der neu geregelte Betreuungsplan des Arbeitsmarktservice. Dieser soll sicherstellen, dass das vorhandene qualifikatorische Niveau bei der nächsten Arbeitsstelle nach Möglichkeit erhalten oder sogar erweitert wird. Wenn also eine Vermittlung im erlernten Beruf zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist, darf nicht mehr automatisch auf die nächstmögliche Stelle als Helferin oder Helfer vermittelt werden. Zuerst ist das Arbeitsmarktservice gesetzlich verpflichtet zu prüfen, ob nicht durch Qualifikationsmaßnahmen eine andere, aber ebenfalls qualifizierte Stelle in Frage kommt.
Aber noch ein Punkt ist bei der Neuregelung der Zumutbarkeitsbestimmungen ganz entscheidend: Eine wichtige Forderung der Gewerkschaft bei den Verhandlungen war, die Abwärtsspirale von Qualität und Entgelt für neu vermittelte Jobs zu stoppen. Der klassische Berufsschutz allein ist heute kein Garant mehr dafür, dass auch die Qualität und das Entgelt des Beschäftigten stimmen. Der Berufsschutz beträgt künftig 100 Tage. Neu eingeführt wird zum ersten Mal ein Entgeltschutz. Ein Erfolg, den die Betroffenen selbst zu schätzen wissen. Denn viele sagen: "Was nützt mir mein Berufsschutz, wenn ich damit einen Job bekomme, bei dem ich nur die Hälfte verdiene."
Mit dem neu ausverhandelten Entgeltschutz sind diese Zeiten vorbei. Denn zumutbar ist eine Stelle nach den Sozialpartnervorschlägen nur noch, wenn man dort während der ersten 120 Tage der Arbeitslosigkeit zumindest 80 Prozent der Bemessungsgrundlage verdient. Und auch nach dieser Zeit dürfen es nicht weniger als 75 Prozent sein. Einen besonderen Erfolg konnten wir in diesem Bereich auch für Arbeit Suchende erzielen, die vorher Teilzeit beschäftigt waren. Denn werden sie wieder auf eine Teilzeitstelle vermittelt, darf das Einkommen das Niveau der zuvor ausgeübten nicht unterschreiten, was einen 100-prozentigen Entgeltschutz bedeutet.
Pro Jahr gibt es derzeit 800.000 Fälle von Arbeitslosigkeit. Es wäre also ein falscher Schritt, den Arbeit Suchenden Steine in den Weg zu legen. Vielmehr muss es eine kompakte gesetzliche Grundlage geben, die sie einerseits vor Qualifikationsverlust, aber auch vor massiven Einkommenseinbußen schützt. Wir sind überzeugt, dass durch die Vorschläge der Sozialpartner dieser Forderung Rechnung getragen wird.
Dr. Richard Leutner ist Leitender Sekretär im ÖGB.