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Bei den Lohnverhandlungen im Metallgewerbe steht die Forderung der Arbeitgeber nach Arbeitszeitflexibilisierung der Arbeitszeitverkürzung gegenüber, die von der Produktionsgewerkschaft forciert wird. Richtig ist, dass die Gewerkschaften bei den Verhandlungen mit den Arbeitgebern die Arbeitszeitpolitik zum zentralen Thema machen. Das Potenzial ist jedoch größer.
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Obwohl der Wachstumsmotor wieder anzuspringen scheint (und Wirtschaftswachstum bleibt vorderhand Kern für Verteilungsspielräume, auch für den Staat), ist klar, dass aus ökologischen Gründen unsere Produktions- und Lebensweise grundlegend umgebaut werden muss. Es handelt sich nicht nur um eine Wirtschafts- und Finanzkrise, sondern um eine multiple Krise: eine der gesellschaftlichen Integration und politischen Repräsentation, eine der natürlichen Lebensgrundlagen. Darauf muss reagiert werden.
Die historische Verantwortung der Gewerkschaften liegt darin, dass der sozial-ökologische Umbau nicht auf sozial polarisierende und autoritäre Weise geschieht. Denn: Ökologische Fragen sind soziale Fragen, sind solche von Lebensqualität und damit Zugang zu guten Lebensmitteln und Wohnraum, zu öffentlichem Transport und insgesamt von lebenswerten Städten, von guter Lohnarbeit und anderen Tätigkeiten.
Die Erfahrung der Kurzarbeit, das hat die Produktionsgewerkschaft in einer Umfrage erforscht, ist für viele positiv. Daran könnte angeknüpft werden. Zum einen könnte über attraktive Lebens- und Wochenarbeitszeiten das engstirnige Dogma "Leben, um zu arbeiten" aufgebrochen werden. Lebenserfahrungen, die nicht nur das "Hackeln" ins Zentrum stellen, können die problematische Wachstumsfixierung überwinden. Andere Formen gesellschaftlicher Arbeit, die ja zuhauf verrichtet werden - etwa die Pflege jüngerer und älterer Menschen -, würden aufgewertet.
Aus einer ökologischen Perspektive wird zweitens mit progressiver Arbeitszeitpolitik denkbar, wie wir vom Produktivismus und Konsumismus um jeden Preis wegkommen und was Wohlstand bedeuten kann. Die "Geiz ist geil!"-Kultur wäre dann infrage gestellt.
Die Gewerkschaften würden mit einer inhaltlich ausgeweiteten Kampagne für Arbeitszeitverkürzung drittens auch wieder etwas zurückgewinnen, was ihnen in den vergangenen Jahrzehnten verloren ging: den Anspruch, nicht nur partikulare Mitgliederinteressen zu vertreten, sondern gesamtgesellschaftliche Probleme anzugehen.
Solche praktischen Fragen - gegenüber den Arbeitgebern wohl konfliktiv, bezüglich Lohnausgleich zu präzisieren - sind für die Zukunft entscheidend. Damit würde schließlich das politisch dominante, von rechtsextremer Seite forcierte, bis in die Gesellschaft ragende scheinbare Hauptproblem "Ausländer" mit progressiven, an wirklichen Problemen ansetzenden Alternativen konterkariert werden.
Ulrich Brand forscht und lehrt als Professor für Politikwissenschaft an der Universität Wien.