Die links-liberale Opposition in Ungarn kämpft vor der Wahl mit internen Problemen. Die rechtsradikale Jobbik liegt fast gleichauf.
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Budapest. Es gibt einen Tag, der den Zustand der ungarischen Opposition, die an diesem Sonntag bei der Parlamentswahl den rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban entmachten will, auf einen einfachen Nenner bringt: Es war der 15. März, Ungarns Nationalfeiertag, den stets alle Parteien für ihre Propaganda nutzen, nicht nur in Wahlkampfzeiten. Es herrschte ekelhaftes, nasskaltes Wetter. Trotzdem hielt die rechtsextreme Partei Jobbik im Zentrum von Budapest ihren Festakt mit dröhnendem Rechts-Rock und Massen von Luftballons ab, tausende Anhänger trotzten dem Regen. Das links-liberale Oppositionsbündnis unter der Führung des Sozialisten Attila Mesterházy sagte seine Veranstaltung wegen des Wetters hingegen ab. Sein Publikum dürfte für diese meteorologisch bedingte Entscheidung dankbar gewesen sein - und doch wirkte es irgendwie, als hätten "die Regierungswechsler", wie sich Mesterhazys Fünf-Parteien-Bündnis nennt, kalte Füße bekommen.
Belastendes Schwarzgeld
Dass Orbans Fidesz am Sonntag nicht die stärkste Kraft bleibt, gilt ohnehin als ausgeschlossen. Mit 51 Prozent ist die derzeitige Regierungspartei nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Tarki mehr als doppelt so stark wie Mesterházys Bündnis, das bei 21 Prozent steht. Jobbik kommt dicht danach, mit 20 Prozent. Sollte Fidesz bei der Wahl Einbußen erleiden oder gar seine Zwei-Drittel-Mehrheit verlieren, stellt sich die Frage, ob die Links-Liberalen oder die Rechtsradikalen davon profitieren würden. Kaum Chancen auf Zugewinne hat dagegen die dritte Oppositionspartei, die grün-liberale LMP, die um den Wiedereinzug ins Parlament bangen muss und in den Umfragen mal knapp unter, mal knapp über der entscheidenden Fünf-Prozent-Hürde oszilliert.
Über ihre chronischen Probleme hinaus haben Mesterhazys "Regierungswechsler" auch noch mit einer Schwarzgeldaffäre zu kämpfen, in die der frühere MSZP-Politiker Gabor Simon verwickelt ist. Simon, der inzwischen in U-Haft sitzt, war noch Vize-Chef der MSZP, als die Affäre aufkam. Er soll bei einer österreichischen Bank 770.000 Euro gehortet und die Summe dem Fiskus verschwiegen haben. Simon legte zwar sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe seine Parteiämter nieder und trat aus der MSZP aus. Dennoch belastet das Thema seine frühere Partei, zumal immer wieder neue Details mit einem Ruch von Halbwelt zutage treten. Simon hatte sich über einen Mittelsmann vorsorglich einen Pass aus dem westafrikanischen Guinea-Bissau besorgt, vermutlich um Tarnkonten zu eröffnen.
Mesterhazy verspricht, was alle anderen auch versprechen: mehr Arbeitsplätze, mehr Investitionen aus dem Ausland. Das Grundproblem der "Regierungswechsler" ist aber, dass sie erst spät zusammengefunden haben. Neben Mesterhazys Sozialisten ist der frühere Ministerpräsident Gordon Bajnai (2009-2010) dabei, ein feiner, leiser Technokrat. Ferner gehört dazu die winzige links-grüne Partei Dialog für Ungarn (PM), die sich ein Jahr zuvor von der LMP abgespalten hatte, zudem die Liberalen, ein in Umfragen kaum wahrnehmbares Überbleibsel des untergegangenen, einst in Ungarn starken Bundes Freier Demokraten (SZDSZ).
Charismatischer Lügner
Problematischster "Regierungswechsler" ist Ferenc Gyurcsany, einst als Sozialist Ministerpräsident (2004-2009) - heute an der Spitze der Splitterpartei Demokratische Koalition (DK). Er ist wegen seiner legendären "Lügenrede" von 2006 immer noch angeschlagen. Gyurcsany hatte damals, gerade wiedergewählt, seinen Genossen in einer parteiinternen Rede erklärt, man habe im Wahlkampf gelogen. Teile dieser Rede gerieten an die Öffentlichkeit, daraufhin kam es in Budapest zu gewalttätigen Straßenkrawallen. Etliche damalige Mitstreiter Gyurcsanys sind der Meinung, dass dies den späteren Wahlsieg Orbans gefördert habe. Gyurcsany Begegnungen mit Wählern gleichen zwar oft kabarettreifen Auftritten, doch sein Charisma war auch der Grund dafür, dass seine blasseren Partner ihn doch in ihr Bündnis aufgenommen haben.
Jobbik wiederum profitiert schon allein von seiner Unverbrauchtheit. In vielen Punkten gleicht ihr Programm jenem des Fidesz, ohnehin sind die Grenzen zwischen der Wählerschaft beider Parteien fließend. Etliche von Orban Enttäuschte dürften in Jobbik eine Art "Fidesz reloaded" erhoffen. Zudem hat Jobbik wohl am fleißigsten Wahlkampf gemacht: Mehr als 3000 Veranstaltungen landesweit, zentriert auf die lokalen Probleme der Leute. Parteichef Gabor Vona war oft dabei und überzeugte mit gut konstruierten freien Reden. Die extrem rassistischen Töne überließ er dabei eher den lokalen Kandidaten. Der 35-jährige Vona kam wohltemperiert über die Bühne - gemäß der neuen Jobbik-Strategie, die auf die bürgerliche Mitte abzielt.
Gleichermaßen zu kämpfen haben aber alle kleinere Parteien mit dem neuen Wahlrecht, das große Parteien wie Fidesz favorisiert. Von den 199 Abgeordneten werden 106 direkt gewählt, und zwar mit nur relativer Mehrheit. Dies könnte für die ganze Opposition der K.o.-Tropfen werden.