Beim krisengeschüttelten deutschen Chipkonzern Infineon regiert das Chaos. Nach dem Rücktritt von Vorstand Andreas von Zitzewitz wegen Schmiergeldvorwürfen steht weiterhin Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley in der Kritik. Dieser wiederum reitet jetzt heftige Attacken gegen den vor mehr als einem Jahr abgelösten Vorstandsvorsitzenden Ulrich Schumacher.
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"Kley steht mit dem Rücken zur Wand", meint ein Branchenkenner. Auch in der kommenden Woche sind bei der Vorlage der Quartalszahlen am Dienstag keine positiven Nachrichten von Europas größtem Chipkonzern zu erwarten. Analysten rechnen damit, dass die Verluste noch einmal gestiegen sind.
Die Schmiergeldaffäre wird zunehmend auch zur Schlammschlacht. Dabei kommen auch noch einmal die Umstände von Schumachers Abgang im vergangenen Frühjahr hoch, der nach derzeitigem Stand nichts mit der Korruptionsaffäre zu tun hatte. Kley sagte jetzt der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", ihm seien schon kurz nach seinem Amtsantritt 2002 Zweifel an Schumacher gekommen. "Damals schon klagte er auch über Schlafstörungen und erklärte, dass er nur drei bis vier Stunden täglich schlafe." Er habe schon Anfang 2003 einen Headhunter mit der Suche nach einem Nachfolger beauftragt. In der Branche sorgte dies für Verwunderung. Noch Anfang 2004 hatte Kley auf der Hauptversammlung Schumacher demonstrativ den Rücken gestärkt und ein Aktienoptionsprogramm für die Führungsspitze verteidigt. Der Vorstand habe trotz Verlusten Außerordentliches geleistet.
"Das ganze ist schon entwürdigend, hat aber auch einen gewissen Unterhaltungswert", sagen Analysten undfordern wie zuvor schon Aktionärsschützer, dass die Kontrollmechanismen bei Infineon genau geprüft werden. Kley hatte eingeräumt, dass er bereits vor mehr als einem Jahr über den Schmiergeldverdacht gegen Zitzewitz informiert worden sei. Untersuchungen hätten aber keine Belege erbracht, daher sehe er auch keinen Grund für einen Rücktritt. Die Arbeitnehmervertreter im Infineon-Aufsichtsrat wollen die Affäre und die notwendigen Konsequenzen dem Vernehmen nach in der kommenden Woche diskutieren.
Die Affäre trifft Infineon in einem schwierigen Branchenumfeld. "Wir sind mitten in einem Abschwung", konstatuieren Analysten. Die Speicherchip-Preise sind weiterhin niedrig. Zudem leidet Infineon als wichtiger Zulieferer unter dem schwachen Absatz von Siemens-Handys. Von der Finanznachrichten-Agentur dpa-AFX befragte Analysten rechnen daher für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2004/05 (30. September) mit einem Verlust vor Steuern und Zinsen von etwa 150 Mio. Euro. Das wären noch einmal mehr als im Vorquartal, als das Minus 117 Millionen betrug.
Somit ist auch das ursprüngliche Ziel in Gefahr, zumindest auf operativer Basis im Gesamtjahr schwarze Zahlen zu schreiben. Beim Umsatz erwarten die Analysten im Vergleich zum Vorquartal einen minimalen Rückgang auf knapp 1,6 Mrd. Euro.
Angesichts der anhaltenden Schwierigkeiten im DRAM-Bereich hatte Infineon erwogen, die Speichersparte im Herbst abzuspalten und an die Börse zu bringen. Chef des neuen Konzerns sollte von Zitzewitz werden. Diese Pläne haben sich erst einmal erledigt. Im derzeitigen zyklischen Abschwung wäre eine Platzierung ohnehin schwierig gewesen, nach der jüngsten Affäre gilt sie nun als unmöglich. Vom Herbst 2005 als Termin ist daher im Unternehmen nicht mehr die Rede. dpa