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Chaos in Thailand - eine urbane Elite will die Landbevölkerung entmachten

Von Klaus Huhold

Analysen

In Thailand herrscht Chaos: Im Zentrum Bangkoks fielen in den vergangenen Tagen Schüsse, Regierungsgegner stürmten den internationalen Flughafen der Stadt. Die Armee verlangt Neuwahlen, doch Premier Somchai Wongsawat will nicht zurücktreten. | Durch das Land geht ein Riss. Die städtische Elite und die ärmlichen Reisbauern vom Land stehen einander gegenüber. Erstere wird von der seit Monaten gegen die Regierung demonstrierenden "Volksallianz für Demokratie" (PAD) vertreten, die Bauern von der Partei der Volksmacht (PPP) mit Premier Somchai.


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Die PAD wurde vom schwerreichen Medienmogul Sondhi Limthongkul gegründet, der durchaus repräsentativ für die Bewegung ist. Dem außerparlamentarischen Oppositionsbündnis, das von niemandem gewählt wurde, schlossen sich im Laufe der Zeit Geschäftsleute, hohe Beamte und Teile der städtischen Mittelschicht an.

Ziel der PAD ist es, alle Spuren des Ex-Premiers Thaksin Shinawatra, des Schwagers des derzeitigen Regierungschefs Somchai, zum Verschwinden zu bringen. Thaksin wurde im September 2006 vom Militär gestürzt und ist wegen mehrerer Korruptionsanklagen nach Großbritannien geflohen.

Für die PAD ist Somchais Partei der Volksmacht nichts weiter als ein Handlanger Thaksins. Tatsächlich hat die PPP dieselbe Anhängerschaft wie einst Thaksin, nämlich die ärmliche Landbevölkerung. Bei dieser genoss Thaksin wegen seines Populismus und wegen etlicher Sozialprogramme große Beliebtheit. Die PPP versprach, sich auch weiter um die Anliegen der Unterpriviligierten zu kümmern.

Diese sind in Thailand nicht wenige und bescherten der PPP Ende 2007 einen Wahlsieg. Damit sich ein derartiges Szenario nicht wiederholt, will die PAD nun das gesamte politische System Thailands verändern. So soll nach ihren Vorstellungen der Großteil des Parlaments nicht mehr gewählt, sondern von verschiedenen Institutionen bestimmt werden. Die Landbevölkerung wäre damit entmachtet.

Auf den Vorwurf, dass dies undemokratisch ist, hat die PAD eine Antwort parat: Die Landbevölkerung würde sich nicht nach Programmen entscheiden, sondern verkaufe ihre Stimme an den Meistbietenden. Allerdings gab es bei der letzten Wahl äußerst scharfe Gesetze gegen Wahlbetrug.Die PPP steht ohnehin deswegen vor Gericht.

Ein Phänomen aus der Ära Thaksin kann die PAD jedenfalls nicht rückgängig machen: Die Armen und die Landbevölkerung haben ihre politische Macht entdeckt. Sie hatten Thaksin mit ihren Stimmen zum Premier gemacht, sie brachten anschließend die PPP an die Macht. Dass sie ruhig und tatenlos zusehen werden, wenn ihnen diese Macht wieder genommen wird, ist mehr als fraglich.