Putin nutzt Trump-Effekt bei Werbetour in Wien: Russlands Präsident will Kontakte nach Europa verstärken.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Wenn Wladimir Putin am Dienstag nach Wien kommt, geht es um mehr als um den offiziellen Anlass, das 50-jährige Jubiläum der österreichisch-russischen Gaspartnerschaft, das am Montagabend feierlich begangen wurde. Der russische Präsident versucht derzeit mit zunehmendem Erfolg, seine Kontakte nach Europa, die unter der Ukraine-Krise, der Annexion der Krim und den darauf folgenden Sanktionen schwer gelitten haben, wieder zu intensivieren.
Die Zeit, in der es politisch inopportun war, sich mit dem Kreml-Chef blicken zu lassen, scheint vorbei zu sein: Vor kurzem empfing Putin den französischen Staatschef Emmanuel Macron im prunkvollen Konstantinspalast bei St. Petersburg. Schon davor hatte Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, aus Putins Sicht eine lästige Kritikerin seiner Politik, den Kreml-Chef in Sotschi besucht. Die rüde Politik von US-Präsident Donald Trump gegenüber der EU dürfte in vielen europäischen Staaten ein Umdenken ausgelöst haben und Putin wieder ins Spiel bringen. Die Isolation, in der sich Russlands Präsident noch 2014 befunden hatte, scheint - wären da nicht immer noch die EU-Sanktionen gegen Russland - keine Rolle mehr zu spielen.
Für Österreich gilt das wohl ganz besonders. Putin wird bereits seit Jahrzehnten ein inniges Verhältnis zu der Alpenrepublik nachgesagt, die er bereits zu seiner Zeit als KGB-Agent in Dresden mehrfach besucht haben soll, unter anderem zum Skiurlaub. Die geschäftlichen Kontakte Putins und seines Umfeldes nach Österreich sind intensiv. Immer wieder werden prominente österreichische Manager und Politiker für russische Firmen tätig. So wechselte zum Beispiel Magna-Manager Siegfried Wolf zur russischen Holding Russian Machines des Oligarchen Oleg Deripaska. Und erst jüngst wurde bekannt, dass Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling einen Beraterposten beim staatlichen russischen Gazprom-Konzern angenommen hat, um für das Pipelineprojekt Nord Stream zwei zu lobbyieren - ein Projekt, das Staaten wie Polen, der Ukraine und den USA mehr als nur ein Dorn im Auge ist, für das sich, trotz aller sonstigen Kritik an Putin, aber beispielsweise Angela Merkel einsetzt.
Auch die österreichische Politik zeichnet sich - bei aller Freundlichkeit gegenüber der Ukraine und bei allen Betonungen, mit der Linie der EU im Einklang zu stehen - durch einen freundlich-pragmatischen Zugang zu Russland aus. Und das schon länger, nicht erst seit in Wien die betont prorussische FPÖ mitregiert und die Außenministerin stellt.
Denn der letzte Besuch Putins in Wien fand im Juni 2014 statt - als der Krieg in der Ostukraine gerade begonnen hatte und die politische Krise zwischen Ost und West am Siedepunkt war.
"Leidige Sanktionen"
Und die Visite fand keineswegs in eisiger, sondern streckenweise in fast gelöster Atmosphäre statt, etwa als Putin in der Wirtschaftskammer aufgrund der langen Dienstzeit des damaligen Chefs der Kammer, Christoph Leitl, von einer "guten Diktatur" in der Wirtschaftskammer witzelte und damit die Lacher auf seiner Seite hatte.
Dass in Wien nun die FPÖ mitregiert, ist für den Kreml-Chef zumindest kein Nachteil. Erst am Wochenende sprach sich FP-Chef Heinz-Christian Strache erneut wieder für eine Beendigung der "leidigen Sanktionen" aus, die der österreichischen Wirtschaft schaden würden. Auswirkungen wird das wohl zunächst keine haben - ein österreichisches Veto gegen die Fortführung der Sanktionen ist, vor allem da Wien in der zweiten Jahreshälfte den EU-Vorsitz innehat, mehr als unwahrscheinlich.
Eine schrittweise Rückabwicklung der Sanktionen steht in Europa allerdings durchaus im Raum und findet innerhalb der EU immer mehr Anhänger. Käme es dazu, würde das zwar das transatlantische Verhältnis weiter belasten. Und auch russlandkritische Länder wie Polen oder die baltischen Staaten würden sich dann wohl noch stärker an den USA als an Brüssel orientieren.
Willst du diesen Inhalt sehen? Gib den anderen Cookies grünes Licht.
Reformen dringend nötig
Für die europäische Wirtschaft wäre eine solche Entwicklung allerdings zweifelsohne gut - und für die russische erst recht: "Russland hätte Wirtschaftsreformen dringend nötig", sagt Peter Havlik, Russland-Experte am Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW), der "Wiener Zeitung". Es brauche dort Modernisierung und ein besseres Investitionsklima, und das gehe nur mit Kontakten mit dem Westen. "China ist zwar mittlerweile der wichtigste Handelspartner als Einzelland für Russland", räumt Havlik ein. Dennoch sei es so, dass sich der russische Handel mit der EU und der mit China stark unterscheiden. "Einen Ausfall der Importe aus der EU kann man in der Regel nicht mit Importen aus China kompensieren, vor allem was Maschinen und Technologie betrifft", sagt Havlik. Bei Maschinenbau, Arzneimitteln und gehobenen Industriegütern brauche Moskau die EU - und dafür wieder eine Verbesserung der politischen Beziehungen.
Die Chancen dafür stehen für Präsident Putin gut. Dass sich der Kreml ideologisch rechtskonservativ positioniert hat, macht ihn zwar zum Feindbild vieler Linksliberaler. Bei den Rechten, die im Gefolge der Migrationskrise Aufwind in Europa haben, hat Putin aber Punkte gesammelt. Das zahlt sich für den Kreml-Chef jetzt aus: Auch die neue italienische Regierung, insbesondere Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini, gelten als Putin-freundlich.
Russlands Präsident Wladimir Putin im ORF-Interview mit Armin Wolf.