Moderater Kleriker will Beziehungen zu London und Washington wiederbeleben.
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Teheran/New York/Wien. "Wie sehen Sie das Verhältnis des Iran zu den USA? Kühlschrank oder Gefrierfach?", wurde ein iranischer Spitzendiplomat vor einem Jahr gefragt. Seine Antwort fiel knapp und nüchtern aus: "Nordpol." Kurz vor der UNO-Generalversammlung, wo US-Präsident Barack Obama und sein iranischer Amtskollege Hassan Rohani nach den versöhnlichen Tönen der letzten Wochen und einem freundlichen direkten Briefwechsel am heutigen Dienstag erstmals nach 34 Jahren Eiszeit bei einem historischen Handshake eine neue Ära einleiten könnten, klang die Antwort desselben Diplomaten, der nicht beim Namen genannt werden will, schon anders: "Wissen Sie, wir sind noch immer am Nordpol, aber zumindest gibt es neuerdings Pinguine, die den Weg zur Sonne weisen könnten."
Tatsächlich weht im Iran seit August ein Wind der politischen Versöhnung. Die moderate Administration rund um den 64-jährigen Kleriker Rohani versucht alles, um das angeschlagene Image des Iran auf dem internationalen Parkett wieder aufzupolieren. So hat eine Sonderkommission der iranischen Präsidentschaftskanzlei sich wochenlang damit beschäftigt, ein Rahmenprogramm für Rohanis wichtige New-York- Visite zu organisieren.
Geht es doch darum, der Welt zu zeigen, dass der Iran auch anderes als Hasstiraden zu bieten hat. Rohanis Vorgänger Mahmoud Ahmadinejad hatte in den vergangenen acht Jahren als Präsident durch seine "No fear"-Politik gegenüber dem Westen und den Verbalattacken gegen Israel so ziemlich alle Brücken zerschlagen und seinem Land wirtschaftlich sehr geschadet, denn der Gottesstaat bekommt die westlichen Sanktionen in Zusammenhang mit dem Atomstreit sehr schmerzlich zu spüren.
Rohani muss nun also alte Scherben aufkehren und zeigen, dass nach den schönen Worten auch konkrete Schritte folgen. Ein Treffen mit Frankreichs Präsidenten François Hollande, ein Gespräch mit dem österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer und eine mit Spannung erwartete Zusammenkunft mit dem britischen Außenminister William Hague sind einige "Früchte" der neuen iranischen Charmeoffensive, die ihren krönenden Höhepunkt bei einem nicht geplanten, aber möglichen Aufeinandertreffen von Obama und Rohani finden könnte. Ein Novum ist zudem, dass viele westliche Diplomaten heuer bei dem iranischen Beitrag im Saal bleiben wollen.
Versöhnliche Gesten
Untermalt wurden diese Bemühungen mit zahlreichen versöhnlichen Gesten. Erst vergangene Woche schickte Rohani seinen politischen Ziehvater und Mentor, Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani, der als Chef des mächtigen Schlichtungsrates mit zahlreichen Sonderbefugnissen ausgestattet ist, zu Irans Obersten Geistlichen Führer Ali Khamenei, um eine Lockerung der Zensur und die Freilassung von politischen Gefangenen zu fordern.
Keine 24 Stunden später wurden 17 politische Gefangene, darunter die prominente Anwältin und Menschenrechtaktivisten Nasrin Sotoudeh (48), aus der Haft entlassen. Weitere Freilassungen, darunter jene der beiden Oppositionsführer Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi, sollen folgen.
Die Lockerung der Zensur ist ein dringendes Ventil, um die politikmüden Perser wieder ins Boot zu holen. Zwei Drittel der iranischen Bevölkerung (rund 75 Millionen Menschen) sind jünger als 35 Jahre. Facebook, Twitter und YouTube sind offiziell, sprich über das iranische Internet, nicht abrufbar. Man braucht sogenannte Filterbrecher (VPN-Systeme), um diese sozialen Netzwerke nutzen zu können. Trotz der Verbote verwenden ungefähr 20 Millionen Iraner regelmäßig Twitter, Facebook und YouTube. Somit ist der Iran eines jener Länder im Nahen und Mittleren Osten, die soziale Netzwerke massiv in ihren Alltag eingebunden haben. Sogar Rohani, sein Regierungsteam und auch Rafsanjani und Khamenei haben mittlerweile Twitter- respektive Facebook-Accounts.
Parallel dazu schickte Rohani seinen moderaten Chef der iranischen Atombehörde, Ex-Außenminister Ali Akbar Salehi nach Wien, um bei der Generalversammlung der internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) letzte Woche erstmals seit zehn Jahren "einen Kurswechsel, volle Transparenz und vollste Zusammenarbeit mit der IAEO" im Konflikt rund um die umstrittene iranische Urananreicherung anzukündigen.
Dass Rohanis Außenminister Mohammad Javad Zarif sich von der Holocaust-Leugnung Ahmadinejads distanziert und Rohani sich via Twitter so weit aus dem Fenster lehnte und trotz des Stirnrunzelns der Hardliner und Ultrakonservativen den Juden zu ihrem Neujahrsfest gratulierte, komplettiert die iranische Imagepolitur. Letztere zeigt offensichtlich Wirkung: Der Westen, allen voran die EU und Washington, geben Teheran wieder eine Chance auf Dialog, weitere Sanktionen im Atomstreit sind vorläufig auf Eis gelegt und man will Rohani eine Frist einräumen, seinen Ankündigungen unter dem Motto "Kooperation statt Konfrontation" Taten folgen zu lassen.
Österreich ist in dieser Hinsicht wieder ein Vorreiter. Neben dem geplanten heutigen Treffen zwischen Fischer und Rohani in New York soll Rohani selbst bald nach Wien kommen. "Präsident Rohani steht vor großen Hoffnungen und Erwartungen des iranischen Volkes auf eine Beendigung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme des Landes", so Außenminister Michael Spindelegger zur "Wiener Zeitung". "Er hat es in der Hand, Schritt für Schritt wieder Vertrauen aufzubauen und die Beziehungen des Irans zur Welt zu verbessern."
All diese Schritte Rohanis sind inner-iranisch nicht unumstritten. Die Revolutionsgarden haben schon zur Vorsicht vor einer zu "laxen Außen- und Atompolitik" gewarnt. Den entscheidenden Schlüssel zu Rohanis möglichem Erfolg bei seiner schwierigen Mission zwischen Öffnung und dem Druck der Hardliner im eigenen Land ist möglicherweise der "Segen von oben". Er geht diesbezüglich aber taktisch geschickt vor und bespricht all seine Vorhaben mit Khamenei, der in allen Belangen das letzte Wort hat.
Dieser soll ihn mit "maximalem Handlungsspielraum" und Flexibilität ausgestattet und sich auch der Lockerung der Zensur gegenüber nicht ablehnend geäußert haben. Bleibt zu hoffen, dass die Pinguine den Weg zur Sonne möglichst bald weisen, denn die iranische Wirtschaft braucht dringend einen Aufwind.