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Chats mit Israel können tödlich enden

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik
Anhänger des Predigers und Politikers Moktada al-Sadr feiern das anit-israelische Gesetz.
© Reuters / Thaier al-Sudani

Iraks Parlament verabschiedet ein Gesetz, das drastische Strafen für Kontakte mit Israel vorsieht.


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Sollte Mithal al-Alusi es wagen, nach Bagdad zu reisen, würde er sofort verhaftet und vor Gericht gestellt. Gegen den 69-jährigen Iraker besteht ein Haftbefehl. Sein Vergehen: Versuch der Aussöhnung mit Israel, Besuch der Knesset in seiner Funktion als irakischer Parlamentsabgeordneter, Landesverrat. Die Vorwürfe sind nicht neu, der Haftbefehl neun Monate alt.

Damals fand im kurdischen Erbil eine Konferenz statt, an der 300 Menschen teilnahmen, die eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel forderten. Die Regierung in Bagdad reagierte hart und ging gegen etliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer juristisch vor.

Insgesamt wurden sechs Haftbefehle ausgestellt, einer davon für Mithal al-Alusi. Die Konferenz in den kurdischen Autonomiegebieten kam zu einem Zeitpunkt, als die Vereinigten Arabischen Emirate sowie Bahrain diplomatische Verbindungen zu Israel aufnahmen. Auch Marokko und der Sudan kündigten an, ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren. Al-Alusi und seine Mitstreiter glaubten, auch der Irak werde sich gegenüber Israel jetzt öffnen, zumal in Israel tausende irakische Juden leben, die nichts sehnlicher wünschen als eine Aussöhnung mit Bagdad.

Selbst Gespräche mit Freunden sind nun verboten

Doch der Irak geht einen anderen Weg, einen radikalen. So hat das irakische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das jegliche Verbindungen zu Israel und seinen Menschen unter Strafe stellt. Auch Chats mit israelischen Freunden oder Verwandten sind verboten. Lebenslange Haft oder gar die Todesstrafe können die Folge sein. Das Gesetz gilt nicht nur für Iraker allein, sondern auch für ausländische Firmen und Privatpersonen, die im Irak tätig sind. Das bedeutet, wer einen israelischen Stempel im Pass hat, lebt fortan gefährlich.

Der Irak befindet sich seit der Gründung des Staates Israel 1948 offiziell im Krieg mit diesem. Irakische Soldaten beteiligten sich an drei arabischen Militäroperationen gegen Israel. Saddam Husseins geheimes Nuklearprogramm alarmierte Israel, dessen Armee 1981 einen Angriff auf den Nuklearreaktor Osirak, westlich von Bagdad, flog und ihn zerstörte. Zehn Jahre später feuerte der irakische Diktator dutzende Skud-Raketen auf Haifa und Tel Aviv, als die Amerikaner und ihre Alliierten nach der Besetzung Kuwaits das Zweistromland angriffen.

Heute wird die Ablehnung gegenüber Israel mit der Unterstützung für die Palästinenser begründet. Ein Statement der irakischen Präsidentschaft hebt die "feste Position und uneingeschränkte Unterstützung für die palästinensische Sache" hervor und die "kategorische Ablehnung der Normalisierung mit Israel". Dies sei der Wille der Iraker und deren unabhängige Entscheidung. Alle 275 anwesenden Parlamentarier stimmten für das Gesetz.

Es zeigt sich der Einfluss des Iran

Dass auch die anwesenden kurdischen Abgeordneten dafür votierten, verwundert indes. Denn die Konferenz zur Aussöhnung mit Israel im September 2021 fand in Erbil, der Hauptstadt der kurdischen Autonomiegebiete statt. Initiator war die US-amerikanische Organisation "Center for Peace Communication", die sich dem Frieden und der Versöhnung im Nahen Osten und Nordafrika verschrieben hat. Die Kurden gelten als Verbündete der Amerikaner.

Darüber hinaus unterhält Irak-Kurdistan zwar keine offiziellen diplomatischen Beziehungen mit Israel, hat aber "freundliche Kontakte" dorthin. Israel kauft kurdisches Öl, plant gar eine Pipeline, die sowohl Jordanien als auch Israel künftig mit kurdischem Gas versorgen soll, und hat zudem das Unabhängigkeitsreferendum von 2017 unterstützt, mit dem Kurdenführer Masoud Barzani viele, auch die US-Amerikaner gegen sich aufbrachte.

Mithal al-Alusi nennt zwei Gründe für das eindeutige Votum im Parlament. Erstens sei damit der Einfluss des Iran abermals deutlich geworden. Im März schoss Teheran zwölf ballistische Raketen auf Erbil, weil die Stadt angeblich ein Ausbildungslager des israelischen Geheimdienstes Mossad beherbergen solle, der Operationen in Iran plane. Da der einflussreiche schiitische Geistliche Moktada al-Sadr und seine Anhänger im Parlament den Gesetzentwurf einbrachten und ihm alle anderen von Iran beeinflussten schiitischen Fraktionen gefolgt sind, läge es auf der Hand, wer dahinterstecke, meint Alusi.

Der Block von al-Sadr hatte bei der Parlamentswahl im Oktober die meisten Sitze gewonnen und bemüht sich seitdem um eine Regierungsbildung. Es scheint, als ob das Anti-Israel-Gesetz die ansonsten heillos zerstrittenen Parteien eint. Im Irak selbst lebt heute nur noch eine Handvoll Juden. Die große Mehrheit hat den Irak nach der Gründung des Staates Israel verlassen.

Milizen haben sich jüdischen Besitz angeeignet

Der zweite Grund für das antiisraelische Gesetz dürfte wirtschaftlicher Natur sein, so Alusi. Bei der Konferenz in Erbil ging es auch um Besitztümer der Juden, die den Irak verlassen haben. Alusi setzt sich für deren Rückgabe ein. "Alle Juden, die den Irak verließen, haben nach zwei Jahren alles verloren", berichtet er.

Seit 2003, nach dem Einmarsch der Amerikaner und Briten, ist die Rechtslage allerdings ungeklärt. Mieten der jüdischen Immobilien gingen seither an die iranischen Quds-Brigaden, Mitglieder der vom Iran finanzierten Milizen wohnten plötzlich in den Häusern. Vor allem das Bagdader Stadtviertel Karrada, wo vordem Juden, Christen und Schiiten zusammenlebten, wird nun von Schiitenmilizen kontrolliert. Gefälschte Papiere führten zur Eintragung ins Grundstücksregister. Es geht um Millionen, wenn nicht Milliarden.

Kürzlich hat ein irakisches Gericht entschieden, dass das Grundstück des Finanzministeriums an den jüdischen Besitzer zurückzugeben sei, und damit eine Lawine ausgelöst. "Die Erbil-Konferenz war eine große Bedrohung für alle, die sich jüdischen Besitz angeeignet haben", kommentiert Alusi die Gerichtsentscheidung. "Wenn Juden es schaffen, eine Adresse im Irak vorzuweisen, haben sie Anspruch auf ihre Immobilien." Das Gesetz schiebt dem nun einen Riegel vor.

Jetzt liegt das Anti-Israel-Gesetz auf dem Schreibtisch des irakischen Präsidenten. Nur mit seiner Unterschrift kann es in Kraft treten. Barham Saleh ist Kurde.