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Chavez bleibt im Amt

Von Leo Gabriel, Caracas

Politik

Die Bevölkerung Venezuelas hat Staatspräsident Hugo Chavez Frías in seinem Amt bestätigt. Das Referendum über dessen Absetzung endete am Sonntag um Mitternacht mit einer verheerenden Niederlage seiner politischen Gegner - und der größte Wahlbeteiligung in der Geschichte des lateinamerikanischen Landes. Die geschlagene Opposition spricht trotz gegenteiligen Bekundens der internationalen Wahlbeobachter von Wahlbetrug.


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Nachdem wegen der hohen Wahlbeteiligung die Abstimmung verlängert worden war, gaben schließlich knapp vor vier Uhr Früh drei Mitglieder des fünfköpfigen Wahlrats den Sieg von Chavez bekannt. Demnach kommt Chavez nach Auszählung von 94 Prozent der elektronisch abgegebenen Stimmen auf 58,25 Prozent (ca. 4,9 Millionen); 41,75 Prozent (ca. 3,5 Millionen) stimmten gegen ihn. Nur zwei Stunden später erklärte die in der so genannten Coordinadora Democratica vereinigte Opposition völlig überraschend, "Opfer eines gigantischen Wahlbetrugs" zu sein.

Lange Warteschlangen

Dabei verlief der Wahltag selbst in allen Landesteilen ohne nennenswerte Zwischenfälle - und das, obwohl die Angestellten des Wahlrats (in der Mehrzahl Frauen) dem Ansturm von durchschnittlich 1500 Wählerinnen und Wähler pro Wahlurne kaum gewachsen waren. Obwohl der Wahlvorgang selbst aufgrund der zur Verfügung stehenden elektronischen Geräte (eines für die Wiedererkennung der Fingerabdrücke zur Identitätsprüfung und eines für die Stimmenabgabe) relativ zügig vonstatten ging, mussten Hunderte Wahlwillige in der gleißenden Sonne (und manchmal auch unter strömendem Tropenregen) vor den Wahllokalen im Durchschnitt sechs Stunden Schlage stehen. Das veranlasste die Wartenden beim Herannahen der internationalen WahlbeobachterInnen, "Queremos votar!" ("Wir wollen wählen!") zu schreien.

Auch die Armeeoffiziere und Soldaten, die für die Sicherheit der Wahllokale verantwortlich waren, machten sich nicht gerade beliebt bei der Bevölkerung. Sie hatten die undankbare Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die WählerInnen erst dann das Wahllokal betreten, als sie an der Reihe waren. In den Nachmittagsstunden sorgte dann eine ominöse CD für Aufruhr, in der der Präsident des Wahlrates angeblich voreilig von einem Sieg der Opposition gesprochen hatte. Obwohl sich diese Erklärung im Nachhinein als Fälschung herausstelte, sorgte die Affäre für einige Unruhe.

Ein Jubelkonzert veranstalteten die AnhängerInnen von Huga Chavez, als ihr Idol nach der Verlautbarung der ersten Wahlresultate auf dem Balkon des Präsidentenpalasts in Miraflores um halb vier Uhr früh zu Gesicht bekamen. Bei dieser staatsmännisch vorgetragenen Rede erklärte Chavez, dass sein Sieg in Wirklichkeit ein Sieg der (von ihm initiierten) neuen Verfassung sei, über die in den letzten vier Jahren vier Mal abgestimmt worden war. Insgesamt ist es ja zum siebenten Mal, dass Chavez' Politik durch eine Urnengang bestätigt wurde. "Im Unterschied zu den anderen Wahlen ist es diesmal definitiv, dass sich die Bevölkerung von Veneuela für ein alternatives Entwicklungsmodell zum Neoliberalismus und gegen den Wildwuchs der venezuelanischen Oberschicht ausgesprochen hat", erklärte der Staatspräsident.

Doch wieder ist es diese Oberschicht, die Chavez wegen seiner indianischen Abstammung und seinen manchmal etwas derben Sprüchen verachtet, die ihm einen Strich durch die wohlverdiente Rechnung machen will, indem sie ihn des angeblichen Wahlbetrugs bezichtigt. Dabei hat er in der letzten Zeit bereits viel moderatere Töne angeschlagen und sich auch bei seiner Rede in der gestrigen Wahlnacht bereit gezeigt, einzulenken und mit der Opposition in einen Verhandlungsprozess einzutreten.

Sollte diese dennoch auf einer Wahlanfechtung beharren, sind die Chancen auf Erfolg gleich Null. Ex-US-Präsident Jimmy Carter, der als Wahlbeobachter fungierte, stellte bereits fest, dass keine Unregelmäßigkeiten verzeichnet wurden, und auch die Europäische Union sprach schon von einem "großen Sieg der Demokratie".