Bei Großfirmen sind fast alle Bosse männlich. | Nur wenige Frauen schaffen es bis zum Spitzenjob. | Die Aufholjagd wird noch viele Jahre dauern. | Österreichs Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek kann wohl wenig Freude empfinden, falls sie die in diesen Wochen laufend publizierten Geschäftsberichte der börsennotierten Unternehmen studieren sollte: Die heimischen Konzerne liefern nämlich nur äußerst spärliche Informationen, die der Politikerin Auftrieb geben könnten. Sie sind zwar gemäß Paragraf 243b des Unternehmergesetzbuches angehalten, über Maßnahmen zur Förderung weiblicher Mitarbeiter zu berichten, doch das tun sie - wie etwa Waagner Biro - entweder gar nicht oder - wie viele andere - nur halbherzig. | Wie sinnvoll sind Frauenquoten in der Wirtschaft?
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Der Baukonzern Porr gibt in seinem Geschäftsbericht unumwunden zu, dass zuletzt "keine konkreten formellen Maßnahmen zur Förderung von Frauen gesetzt" wurden. Die Strabag erklärt, dass bei ihr "grundsätzlich Frauen und Männer gleichermaßen gefördert werden" - mit dem Effekt, dass es sich beim sechsköpfigen Vorstand um eine reine Herrenrunde handelt. Semperit wiederum teilt mit, dass "nach wie vor überwiegend Männer in der obersten Managementebene" tätig seien - im Klartext: keine einzige Frau. Der Ziegelkonzern Wienerberger meldet lapidar, dass "die Besetzung des Vorstands mit einer Frau derzeit nicht absehbar" sei. Der Passus im Corporate Governance Kodex, wonach sich Großbetriebe anstrengen sollten, mehr Frauen in Vorstände, Aufsichtsräte und in leitende Positionen zu hieven, fruchtet jedenfalls wenig. Manche männliche Bosse wollen sich zwar mit diversen Aktivitäten den Vorwurf ersparen, weibliche Mitarbeiter schlechter als männliche zu behandeln: Beim Verbund-Konzern etwa gibt es eine "Gleichbehandlungsbeauftragte", die darüber wacht, dass Frauen generell nicht benachteiligt werden, will heißen: bei gleicher Tätigkeit und gleicher Ausbildung nicht weniger verdienen als männliche Kollegen. Die Kapsch Group möchte mit speziellen Programme wie "Fit" oder "FemTech" den Frauenanteil steigern.
Die Raiffeisen Bank International schließlich kann ihren Mitarbeiterinnen unter anderem flexible Arbeitszeiten, Teilzeitmodelle und Telearbeit bieten, aber keinen einzigen Platz im siebenköpfigen Chefteam. Von den 15 Plätzen im Aufsichtsgremium wird gerade mal einer von einer Betriebsrätin besetzt.
Topmanagerinnenbilden elitären Zirkel
Die Arbeiterkammer Wien hat kürzlich in der Studie "Frauen in Geschäftsführung und Aufsichtsrat" festgestellt, dass es bei den 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs "kaum Fortschritte gegenüber den Vorjahren" gebe und Frauen immer noch wenig Chancen auf eine Top-Karriere hätten. In den Aufsichtsräten besetzen sie nur jeden zehnten Platz, und in den Vorständen bzw. Geschäftsführungen ist ihr Anteil sogar auf 4,4 Prozent gesunken - ein deutliches Minus im Vergleich zu früheren Untersuchungen. Am spärlichsten sind weibliche Führungskräfte in den Chefetagen der börsennotierten Unternehmen vertreten: Bei diesen macht die Frauenquote in den Aufsichtsräten bloß 8,5 Prozent und in den Vorständen gar nur 3,9 Prozent aus.
Die Frauenministerin muss die Realität jedenfalls zur Kenntnis nehmen: Während sich Heinisch-Hosek kürzlich mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner auf den Kompromiss geeignet hat, dass der Frauenanteil zumindest in den Kontrollgremien staatsnaher Betriebe in den nächsten vier Jahren auf 30 Prozent erhöht, also verdreifacht werden solle, sieht es bei der Besetzung von Vorstandsposten traurig aus, vor allem bei Privatunternehmen, wo die Politik nichts dreinzureden hat. Auch wenn Frauen bei etlichen Konzernen in der absoluten Mehrheit sind - von den fast 60.000 Beschäftigten der Raiffeisen Bank International etwa sind immerhin 67 Prozent weiblich - sind sie traditioneller Weise weitgehend chancenlos, absolute Spitzenjobs zu erhalten. Daran würde wohl auch eine in diversen Ländern diskutierte Frauenquote wenig ändern (siehe Kasten).
Bisher gab es zwar immer wieder rare Ausnahmeerscheinungen, etwa Brigitte Ederer, die es zur Generaldirektorin von Siemens Österreich gebracht hat, die langjährige Erste-Vorzeigefrau Elisabeth Bleyleben-Koren sowie Bank Austria- und Bawag-Vorstand Regina Prehofer. Doch seit Ederer nach München befördert wurde und sich die beiden Parade-Bankerinnen im Vorjahr zurückzogen, droht offenbar weiterer Verlust von bereits gewonnenem Terrain. Eines der wenigen Gegenbeispiele ist Monika Kircher-Kohl. Die 53-jährige frühere Villacher Vizebürgermeisterin ist seit April 2001 Vorstand und seit Juni 2007 Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG. Die gebürtige Kärntnerin, die in Wien und Mexico City Wirtschaftswissenschaften studiert hatte, zählt zu einem exklusiven Zirkel. Diesem gehören seit geraumer Zeit etwa auch Bettina Selden (Prisma), Martina Dobringer (Coface), Margarete Schramböck (NextiraOne Austria), Verbund-Managerin Ulrike Baumgartner-Gabitzer oder Bausparkasse Wüstenrot-Chefin Susanne Riess-Passer an.
Die beiden zuletzt Genannten sind typische Quereinsteigerinnen, die aus der Politik gekommen sind - was sowohl für die einstige Kabinettschefin Wolfgang Schüssels sowie Nationalratsabgeordnete als auch für die Ex-Vizekanzlerin nicht unbedingt von Nachteil war. Hingegen mussten sich andere Topmanagerinnen, die sich letztlich auf maskulinem Terrain durchgesetzt haben, jahrelang hocharbeiten. Bettina Glatz-Kremsner beispielsweise, die nunmehr für Finanzen zuständige Casinos Austria-Vorstandsdirektorin, kämpfte sich innerhalb von 16 Jahren vom Vorstandssekretariat über die Vorstandsassistenz und Leiterin von Stabsabteilungen an die Spitze vor.
Während die Herren der Schöpfung in den meisten Chefetagen mit 3:0, 4:0 oder 5:0 häufig unter sich bleiben, sind die Ausnahmen von der Regel äußerst spärlich: So etwa ist der vierköpfige Vorstand der Wiener Stadtwerke paritätisch besetzt. Als Generaldirektorin fungiert die gelernte Juristin Gabriele Payr, 51, und vor zwei Jahren zog mit der gleichaltrigen Gabriele Domschitz eine weitere Juristin ins Vorstandsteam nach. Auch bei der Vienna Insurance Group haben es vor kurzem zwei Managerinnen geschafft: Im Vorjahr durften Christine Dornaus, 47, und Judit Havasi, 35, in den Sechser-Vorstand aufrücken. Die beiden haben Handels- bzw. Rechtswissenschaften studiert, sind erst relativ kurz beim Versicherungskonzern tätig und brachten dennoch das Kunststück zu Wege, in der klassischen Männerdomäne mitzumischen.
Kanzlerin werdenwäre wohl einfacher
Für eine ebenso große Überraschung sorgten die gebürtige Deutsche Petra Jenner, 46, die seit etwas mehr als zwei Jahren bei Microsoft Österreich die erste Geige spielt, und die in Kalkutta geborene Diplomatentochter Tatjana Oppitz, die Anfang 2011 zur ersten Generaldirektorin von IBM Österreich gekürt wurde. Sie ist bereits zwei Jahrzehnte für den Computerkonzern tätig. Eine Blitzkarriere gelang hingegen Doris Tomanek, die erst 2005 in die Bank Austria gewechselt, dort für die Gesamtstrategie im Personalbereich verantwortlich war und kürzlich in die Führungsriege aufstieg. Die weiterhin für Human Resources zuständige Top-Bankerin hat bald nach ihrem Amtsantritt Headhunter angewiesen, bei Suchaufträgen ab sofort zu 50 Prozent weibliche Kandidatinnen anzubieten.
Dennoch müssen Frauen auf der obersten Managementebene mit Nachteilen rechnen: Abgesehen von Karrierehemmern wie Karenz und Mutterschaft bekommen sie das Vorurteil zu spüren, dass Männer für Führungsaufgaben besser geeignet wären. Auch mangelndes Selbstbewusstsein und angeblich zu geringer Ehrgeiz verhindern häufig Frauen-Karrieren. Eine darob ziemlich frustrierte Prokuristin eines Wiener Industriekonzerns hat damit mittlerweile leben gelernt: "Es wäre für mich vermutlich einfacher, Bundeskanzlerin oder sogar Papst zu werden als Generaldirektorin in unserer Firma".