Arbeitgeber sind verpflichtet, auch die psychischen Gefahren am Arbeitsplatz sichtbar zu machen.
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Wien. Peter Steinbach, Geschäftsführer des niederösterreichischen Pumpenhersteller Xylem Austria, will das, was alle Chefs wollen: motivierte, leistungsfähige Mitarbeiter, die gern zur Arbeit kommen und selten krank sind. Und er weiß auch, dass es seine Aufgabe ist, auf das Wohlergehen der Belegschaft zu achten.
Seit über einem Jahr sind Arbeitgeber hierzulande verpflichtet, neben den körperlichen auch die psychischen Gefahren am Arbeitsplatz sichtbar zu machen. Das schreibt die Novelle zum Arbeitnehmerschutzgesetz vor, die am 1. Jänner 2013 in Kraft getreten ist.
Bei Xylem Austria arbeiten 270 Mitarbeiter. In Gruppen- und Einzelgesprächen machte man sich von Dezember 2013 bis April 2014 auf die Suche nach Dauerstressfaktoren. Es zeigten sich Probleme, wie es sie wohl in vielen Betrieben gibt: mangelnde Kommunikation in und zwischen Abteilungen, zu viel Lärm in den Großraumbüros, fehlende Schulungen. Extreme Arbeitsbelastungen habe man nicht festgestellt, sagt Steinbach, aber "viele Kleinigkeiten, die den Tag über nerven" und gegen die man nun punktgenau steuert.
Drei Fünftel der Betriebe"auf gutem Weg"
Der Arbeitsplatzevaluierung war ein Besuch des Arbeitsinspektorats vorangegangen, das 2013 österreichweit 5600 Betriebe im Hinblick auf die Einschätzung psychischer Belastungen prüfte. Drei Fünftel der Unternehmen seien diesbezüglich bereits "auf einem guten Weg", berichtete Anna Ritzberger-Moser, Leiterin der Sektion Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat, in einem Pressegespräch. Von diesen wiederum habe etwa die Hälfte das Gesetz schon umgesetzt. Ritzberger-Moser geht aber davon aus, dass laufend mehr und mehr Unternehmen das Thema psychosoziale Risiken am Arbeitsplatz ernst nehmen.
Dass es sich lohnt, bestätigt Manager Steinbach: "Die Arbeitsorganisation und das Betriebsklima haben sich verbessert, die Motivation der Mitarbeiter ist gestiegen." Auf lange Sicht erwartet Steinbach weniger krankheitsbedingte Ausfälle. Der Zeitaufwand für die vorgeschriebene Arbeitsplatzevaluierung habe 115 Stunden, also ungefähr 14 Arbeitstage, betragen. Das war es Steinbach wert, denn: "Es hat keinen Sinn, wenn ein Mitarbeiter jeden Abend ,geschlaucht‘ nach Hause geht" und später vielleicht in den Burn-out schlittere.
Zeitdruck, Lärm, schlechte Organisation
Sozialminister Rudolf Hundstorfer erinnerte noch einmal daran, dass Krankenstände, die durch Stress beziehungsweise psychische Faktoren ausgelöst werden, mit durchschnittlich 31,9 Tagen dreimal so lange dauern wie Krankenstände aufgrund von körperlichen Problemen. Und mittlerweile erfolgt rund ein Drittel der Neuzugänge in die Invaliditätspension aufgrund psychischer Erkrankungen. Zu den Krankmachern zählen Zeitdruck, Lärm, schlechtes Arbeitsklima, mangelnde Strukturierung von Arbeitsabläufen und unklare Arbeitsaufträge. Die Folgen reichen von Depressionen und Schlafstörungen über Magen-Darm-Störungen bis hin zu Diabetes oder Herz-Kreislauf- und Muskel-Skelett-Erkrankungen.
Oft würden schon kleine Veränderungen ausreichen, um den Stress abzumildern, betont Ritzberger-Moser. Wichtig sei, den Arbeitsplatz in seiner Gesamtheit zu betrachten, sprich: auch "Soft-Faktoren" einzubeziehen, die ebenfalls zu Leidensdruck bei den Mitarbeitern führen können.
"Wir Arbeitspsychologen freuen uns, dass gerade entdeckt wird, was alles möglich ist." So kommentiert Veronika Jakl in einem Blog des Online-Jobportals karriere.at das erste Jahr der Gesetzesnovelle zum Arbeitnehmerschutz. Die Zahl der Arbeitsunfälle in Österreich sei seit Einführung des Arbeitnehmerschutzgesetzes am 1. Jänner 1995 stark gesunken, nun sei es an der Zeit, auch bei den psychischen Erkrankungen nachzuziehen. Jakl weiter: "Aktuell habe ich es mit vielen Firmen zu tun, denen die Gesundheit der Mitarbeiter ohnehin sehr am Herzen liegt - und das ist mehrfach gut. Denn wird die Evaluierung als reine Pflichterfüllung gesehen, auf die keine Verbesserung folgt, ist das einfach schade. Meistens merken es diese Unternehmen jedoch selbst - und zwar an hoher Fluktuation und vielen Krankenstandstagen."
Minister Hundstorfer verweist auf die Anfang April gestartete EU-Kampagne "Gesunde Arbeitsplätze - den Stress managen". Ziel ist es, über die Gefahren, aber auch über die Vermeidung von Stress am Arbeitsplatz zu informieren.