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Chefwechsel: Ist die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank bedroht?

Von Karl Leban

Analysen

Mit Jens Weidmann steht ab 1. Mai ein neuer Mann an der Spitze der Deutschen Bundesbank. Der 42-jährige Volkswirt - einst Leiter der geldpolitischen Abteilung - tritt in die Fußstapfen von Axel Weber. Obwohl Weidmanns Fachkompetenz landesweit Rosen gestreut werden, ist seine Bestellung alles andere als unumstritten. Vor allem Politiker der Opposition sind besorgt, dass die Notenbank unter seiner Führung ihren Nimbus als unabhängige Instanz verlieren könnte.


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In der deutschen Verfassung ist diese Unabhängigkeit gegenüber der Bundesregierung jedenfalls festgeschrieben. Das Problem bei Weidmann aus Sicht seiner schärfsten Kritiker: Webers früherer Schüler war in den letzten fünf Jahren eng mit der Politik verbunden. Als Chefberater stand er Kanzlerin Angela Merkel in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik zur Seite. Und daher wird nun da und dort befürchtet, die Bundesbank könnte künftig nach der Regierungspfeife tanzen. Auch wenn sich Weidmann von seinem bisherigen Polit-Job noch am Mittwoch, dem Tag seiner Nominierung, verabschiedet hat.

Politisches Know-how

Klar ist: Seine Unabhängigkeit von Berlin wird Weidmann seinen Kritikern erst beweisen müssen. Dass er das politische Geschäft kennengelernt hat, muss bei seinen zukünftigen Aufgaben als oberster deutscher Hüter der Stabilität des Euro und des Währungsraums aber nicht unbedingt nachteilig sein. Ganz im Gegenteil: Gerade im Umgang mit der Politik dürfte ihm dieses Know-how sogar helfen, in seiner neuen Funktion auf Distanz zu Berlin zu bleiben. Und das diplomatisch.

Anders als die französische übt die deutsche Regierung im Regelfall zwar so gut wie keinen indirekten Druck in Richtung Europäische Zentralbank (EZB) aus, wenn es etwa um die Zinspolitik in der Eurozone geht. Doch zarte Versuche, über den - im EZB-Rat vertretenen - Bundesbank-Präsidenten Einfluss zu nehmen, gab es in der Vergangenheit immer wieder.

Derlei Zurufe aus der Politik fanden bei allen bisherigen Chefs der deutschen Notenbank freilich noch nie ein positives Echo. Zumindest in Fachkreisen ist man sich daher einig, dass auch Weidmann - schon wegen seiner eigenen beruflichen Herkunft aus der Bundesbank - nicht mit dieser Tradition brechen und gegenüber Merkel notfalls Kante zeigen wird.

"Unabhängiger Kopf"

Die Regierungschefin selbst bezeichnet ihren bisherigen Mitarbeiter als "unabhängigen Kopf". Ob sich das in Zukunft unter anderem dadurch zeigt, dass Weidmann analog zu Weber in die Rolle des mahnenden EZB-Rufers schlüpft, um von Berlin Härte im Umgang mit Euro-Defizitsündern zu fordern, bleibt jetzt abzuwarten.