Dass ein Vorstand bei einem Anruf von außen selbst den Hörer abhebt, passiert schon eher selten. "Reinhard Iro, hallo", sagt die Stimme am anderen Ende der Leitung und dran ist niemand geringerer als der Chef der Treibacher Industrie persönlich. Transparenz wird bei den 550 Mitarbeitern der Gruppe entsprechend groß geschrieben, ebenso wie Weiterbildung und Innovation. Ein Erfolgsrezept für Management und Unternehmen.
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Ansprechpartner will Reinhard Iro, Alleinvorstand der Treibacher Industrie AG, für seine Mitarbeiter in allen Belangen sein. Das Angebot werde zwar nicht immer angenommen, meint er, zu groß sei oftmals der Respekt vor dem Chef. Dank Internet finde der regelmäßige Meinungsaustausch im Betrieb aber zumindest auf virtuellem Weg viel eher statt als früher.
Transparenz und Offenheit sind für Iro eine alltägliche Selbstverständlichkeit, und das wird gleich bei der Begrüßung in seinem Büro im Treibacher Werk in Kärnten klar. Der groß gewachsene athletische 51-jährige erklärt bereitwillig die farbstarken Bilder an der Wand von der österreichischen Künstlerin Claudia Steiner und berichtet augenzwinkernd über seinen Werdegang. In Wien geboren und aufgewachsen, habe er sich nach der Matura an der Universität mit Chemie versucht. "Leider war ich so patschert, dass ich bei den Praktika die Proben verpritschelt habe", erinnert er sich lachend. So habe er sich bald von weißem Mantel, Eprouvetten und dem Traum vom Wissenschaftler verabschiedet und sich der Juristerei zugewandt. Nach abgeschlossenem Studium und kurzer Assistententätigkeit am Institut für Zivilrecht ging Iro für zwei Jahre als Deutschlektor an die Sorbonne nach Paris, lernte dort seine heutige Ehefrau, eine Französin, kennen und nahm sie 1975 mit nach Wien.
Die CA, damals Creditanstalt Bankverein, wurde für viele Jahre sein berufliches Zuhause. Iro spezialisierte sich auf Industriebeteiligungen und löste den späteren Wienerberger-Generaldirektor Erhard Schaschl als Referatsleiter ab.
Jurist und Chemiker
Im Jahr 1990 gelang ihm schließlich der Sprung in den Vorstand der Treibacher Chemischen Werke AG. "Ein Sprung ins kalte Wasser", wie er heute sagt und das, obwohl die Zeit bei der CA eine gute Vorbereitung auf eine Karriere in der Industrie gewesen sei. "Was mich von Anfang an bei Treibacher gereizt hat, war die Vielseitigkeit des Unternehmens", meint Iro. Schon damals gehörte das 1898 von Carl Auer von Welsbach gegründete Unternehmen zu den weltweit führenden Unternehmen für Produkte und Leistungen auf chemischem und metallurgischem Gebiet.
Die notwendigen Fachkenntnissen eignete sich Iro nach und nach an, sodass er heute sogar Fachgespräche führen kann. "Meine Kollegen werden Ihnen bestätigen, dass ich manchmal unangenehm sachverständig sein kann", erklärt er stolz und will damit auch eine Lanze für Juristen brechen. Das Studium trainiere die Fähigkeiten zur Analyse und zum logischen Denken. Verbunden mit Mutterwitz und Hausverstand sei so auch ein Einstieg in die komplexe naturwissenschaftliche Materie möglich.
Erfolgskurs mit High Tech und Marken
Seit 1994 ist Iro Alleinvorstand der Treibacher Industrie AG (vormals Treibacher Chemische Werke AG). In den Jahren unter seiner Führung hat das Unternehmen seine Position am Markt ausgebaut, in allen Belangen modernisiert, den Umsatz gesteigert und die Produktivität deutlich gesteigert. Nicht zu vergessen sei der Eigentümerwechsel im September 2000, als Wienerberger die Treibacher an die deutsche Finck-Gruppe verkaufte. "Von Eigentümerseite ist heute ein größeres Interesse da als zu Zeiten der Wienerberger", sieht Iro den Deal positiv. Der eigenständige Kurs des Treibacher-Managements werde jedenfalls auch vom neuen Eigentümer unterstützt. Rund 550 Mitarbeiter werken zur Zeit für das Unternehmen, fast alle am Standort Treibach in Kärnten. Der jüngste 5-Jahres-Plan wurde gerade eben erstellt, die Zukunftsziele wurden hoch gesteckt. Der Absatz soll deutlich ausgeweitet und mit innovativen Projekten neue Nischen erschlossen werden.
Der wichtigste Hoffnungsträger der Treibacher nennt sich Molyquick und gilt als besonders innovatives High-Tech-Produkt bei Ferrolegierungen: ein extrem geringer Verbrauch beim Legieren, eine geringe Lösungszeit und damit verbundene kräftige Kostensenkung für Treibacher wie für die Stahlkunden machen Molyquick konkurrenzlos, ist Iro überzeugt. Nicht zuletzt sei es das erste Markenprodukt in der Geschichte des Ferrolegierungsgeschäfts. Aus der grauen Masse pulvermetallurgischen Ferromolybdäns wurde ein unverwechselbares äußeres Profil geschaffen: ein sechseckiges Prisma.
Dass Innovativ und Unternehmenserfolg vor allem an guten Mitarbeitern hängen, davon ist Iro felsenfest überzeugt. "Uns geht es im laufenden Optimierungsprozess um Wissensgenerierung", sagt er und: "Wir wollen nicht nur die Hände und Füße der Leute haben, sondern auch ihre Köpfe". Dementsprechend wurden in den vergangenen Jahren die Weiterbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter ausgeweitet. Angeboten werden externe und interne EDV-Schulungen, Sprachkurse, Workshops bis hin zu Auslandsprogrammen.
Der Chef selbst bildet sich natürlich gleichfalls weiter. Im Unternehmen wie im Ausland, wo er dienstlich gut sechs Wochen im Jahr verbringt. Den Ausgleich zu den langen Arbeitswochen findet er bei der Familie (drei Kinder) und dem Sport. Die warmen Abende gehören seinem liebsten Fitness-Gerät, dem Fahrrad. "Da habe ich einen Spleen", verrät er: "Ich könnte mir jedes Jahr ein neues Rennrad kaufen und ein Mountainbike noch dazu." Gern umrundet er etwa den Wörthersee, noch lieber erkundet er aber auf 50-100 km-Touren seine liebste Gegend, die Toskana.
Nicht zu vergessen das Joggen im Morgengrauen. Knapp nach 5 Uhr nimmt Iro seine fünfeinhalb km lange Hausstrecke in Angriff. "Dabei bin ich völlig unehrgeizig", sagt er, nicht ohne im gleichen Atemzug seine neue Rekordzeit zu nennen: knappe 30 Minuten.