Hautsprays gegen Insektenstiche im Test: Chemie schlägt natürliche Mittel und sollte in Olympia nicht fehlen.
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Wien. Welches Mittel wirkt am besten gegen hungrige, aggressive Stechmücken? Dieser Frage geht die Biologin Ulla Obermayr nach. Ihre Mitarbeiter im Labor an der Fakultät für Biologie und Vorklinische Medizin der Universität Regensburg sind Ägyptische Tigermücken. In der Natur übertragen sie Gelbfieber, Denguefieber und das in Brasilien grassierende Zika-Virus. Die Erkrankung verläuft zumeist harmlos, kann jedoch zu schweren Schädelfehlbildungen bei Babys im Mutterleib führen und bis zu acht Wochen im Körper bleiben, nachdem die Symptome schon ausgestanden sind. Impfung gibt es derzeit keine. Besonders anlässlich der Olympischen Sommerspiele, die in der Nacht auf Samstag in Rio starteten, raten Experten daher zu einem effektiven Mückenschutz - rund um die Uhr.
Welches Mittel hält die Krankheitsträger also vom Stechen ab? Um die Wirksamkeit zu testen, besprüht Obermayr die Unterarme ihrer Probanden mit vier gängigen Anti-Mücken-Hautsprays. Danach stecken die beiden Studenten alle halben Stunden ihre Arme in einen Tigermücken-Schwarm. Mit dem Risiko, gestochen zu werden. Denn es gilt herauszufinden, wie lange die Mittel schützen. Die Ergebnisse der Forscherin, jüngst erklärt im Wissenschaftsmagazin "Quarks&Co" des deutschen Senders ARD: Das Mittel Anti Brumm Forte, das zu 30 Prozent aus dem Wirkstoff Diethyltoluamid (DEET) besteht und daher für Kinder unter drei Jahren und schwangere Frauen nicht empfohlen wird, ist mit sieben Stunden Schutz der Testsieger. "Das ist für die strengen Labortests ein sehr guter Zeitwert. Er bedeutet, dass es auch im Freien ähnlich lange oder länger schützt", sagt Obermayr.
Autan mit 20 Prozent Icaridin kommt auf fünfeinhalb Stunden Schutz. Auf Platz drei findet sich Antibrumm Naturell, das mit 20 Prozent des Wirkstoffs PMD (ätherisches Zitroneneukalyptusöl) vier Stunden Schutz bietet. An letzter Stelle steht Zedan auf der Basis von ätherischen Ölen: Es hält die Mücken nur eine halbe Stunde vom Stechen ab. Würde man es als Zika-Schutz verwenden, müsste man ganz oft nachlegen.
Auch ein Test des österreichischen Magazins "Der Konsument" aus 2014 bestätigt: Chemische Substanzen wirken besser als natürliche. Hier findet sich unter den ersten drei auch der Hautspray No Bite, der 50 Prozent DEET enthält. Beide Tests ergeben, dass alle Mittel lückenlos aufgetragen werden müssen: Ungeschützte Hautstellen in der Größe einer Euromünze reichen den Mücken, um genau dort zu stechen.
Doch wie giftig sind die Mittel eigentlich? Beipackzetteln warnen davor, manche der Mittel auf die Kleidung sprühen, da diese sonst Schaden nehmen könnten. Eigene Erfahrungen zeigen außerdem, dass sie sogar Nagellack auflösen können und die Kunststoff-Bügel von Sonnenbrillen angreifen.
Dünne Untersuchungslage,Wirkungsweise unklar
Das in den Testsiegern enthaltene DEET ist eine Chemikalie, die 1946 von der US-Armee als Insektenschutzmittel entwickelt wurde. Militärische Einsatzbereiche fand es in Regionen mit einem hohen Aufkommen von Stechmücken - etwa im Vietnamkrieg. Seit 1957 ist die Substanz für die zivile Verwendung zugelassen, seit 1965 wird sie kommerziell vermarktet.
Die Expertenmeinungen dazu könnten unterschiedlicher nicht sein. So warnt etwa die deutsche Online-Plattform "Zentrum für Gesundheit" davor, die Substanz auf dem Körper anzuwenden. DEET würde sich "auf das zentrale Nervensystem der Insekten auswirken und sie - wenn sie nicht schnell genug die Flucht ergreifen - wie bei einem Giftgasangriff töten", heißt es auf der Homepage. Überdies blockiere die Chemikalie sowohl bei Insekten als auch bei Säugetieren ein wichtiges neurologisches Enzym, die Acetylcholinesterase.
Michael Freissmuth vom Institut für Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien sieht es anders. "Die Cholinesterase-Hemmung durch DEET ist sehr bescheiden", betont er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Wie die Substanz genau auf die Insekten wirke, sei allerdings noch nicht geklärt. "Ich kenne keine Untersuchungen, die zeigen, dass das gefährlich ist", sagt Freissmuth - allerdings sei die Untersuchungslage zu den Inhaltsstoffen dieser Mittel insgesamt dünn. Dass Kindern und Schwangeren vom Gebrauch abgeraten wird, irritiert den Pharmakologen trotzdem nicht. "Dabei handelt es sich um eine reine Haftungsfrage."
Anti-Stechmücken-Hautsprays können auch die Augen und die Schleimhäute reizen sowie allergische Reaktionen auslösen, warnen Konsumentenschützer in "Der Konsument". Schuldseien organische Lösungsmittel, die nötig seien, damit die Substanz überhaupt in die Haut einzieht, erläutert Freissmuth. Ohne diese Lösungsmittel würde das Mittel abperlen wie Wasser, weil dessen Oberflächenspannung erhalten bliebe. Die Schlussfolgerung Freissmuths: "Lieber ein bisschen DEET am Körper, als Malaria oder die Schlafkrankheit" - oder eben Zika.
Der österreichische Gelsen-Experte Bernhard Seidel nimmt Abstand von jeglichen Bewertungen. Er setzt auf breite Information über ökologische Maßnahmen, um die Gelsen-Plage erst gar nicht zur Plage werden zu lassen. Sollte es doch dazu kommen oder jemand in ein Land reisen, wo die Mückenbevölkerung zur Qual wird, rät er zu Schutzmaßnahmen abseits der chemischen Möglichkeiten: Insektenschutznetze und körperbedeckende Bekleidung seien eine wirksame Maßnahme.
Es gibt also nun drei Möglichkeiten: Entweder man fährt im Ganzkörperkondom nach Brasilien. Oder man mutet dem Körper einige Rationen Mückenschutz zu. Oder man bleibt hier.
Allerdings will auch ein Abend am Neusiedler See genossen werden. Ein guter Spray ist dann der erste Wunsch.