Detroit will Opel-Sanierung forcieren. | Chevrolet mit Europa-Offensive. | Genf/Detroit. Zusammenbruch und Staatseinstieg sind bei General Motors Geschichte: Der Welt einstmals größter Autobauer ist wieder an der Börse und schrieb zuletzt Gewinne wie seit zehn Jahren nicht mehr - außer in Europa. Hätten Opel/Vauxhall 2010 nicht um gut zehn Prozent weniger Autos verkauft als 2009 - der Marktanteil in Deutschland sank von 8,5 auf 7,5 Prozent -, GM wäre nach Stückzahlen sogar wieder knapp an die Spitze der Weltrangliste vor Toyota zurückgekehrt.
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Jetzt wird der Druck auf Opel, das seinen Verlust 2010 auf 1,4 Milliarden Euro ausbaute, dramatisch größer: Die Deutschen müssen wieder um ihre Zukunft bangen.
GM-Strategiechef Stephen Girsky sagte es kürzlich der "Automobilwoche" unumwunden: Das Rüsselsheimer Traditionsunternehmen müsse so schnell wie möglich wieder profitabel werden. Dafür reichten Kostensenkungen alleine nicht aus. Auf der Weltkarte von GM ist das von Opel geführte Europageschäft das einzige mit roten Zahlen, in China, Korea und auch in den USA wird wieder kräftig investiert und expandiert.
Aber es fehlen Opel neue Märkte, Modelle und Motoren. "2011 und 2012 werden Opels Schicksalsjahre", sagt Stefan Bratzel vom deutschen Center of Automotive Management. Fifty-fifty sei Opels Chance, wieder in die Spur zu kommen- und es werde Jahre dauern. Denn lange spendierte GM der deutschen Tochter zu wenig Geld für moderne Produkte, die Hängepartie um einen möglichen Verkauf an Magna verschlimmerte die Situation noch.
Inzwischen könnte die alte Anti-Opel-Fraktion in Detroit wieder die Oberhand gewinnen - und der liegen Konzernmarken wie Chevrolet oder Buick am Herzen. Ein hochrangiger Opelaner formuliert es laut "Spiegel Online" drastisch: "Es gibt einige in Detroit, für die sind wir das Geschwür am Gesäß von GM." Die Deutschen seien als Verlustbringer mit widerspenstigen Gewerkschaftern verschrien - seit 1999 haben sie insgesamt immerhin 13 Milliarden Dollar "Miese" verursacht.
Die Opelaner wollten deshalb im Vorjahr nur noch weg vom Detroiter Spardiktat, von der Mutter, die deutsche Technologie aus Opels Entwicklungsabteilung gern nutzte - und auch gestern zum Auftakt des Genfer Autosalons wieder lautstark lobte -, der Marke aber nie genug Power für den Aufstieg gab. Betriebsratschef Franz und der damalige Vorstandsvorsitzende Carl-Peter Forster trieben vergeblich die Trennung vom Mutterkonzern voran.
Während sich die neue Führung in Detroit unter Dan Akerson noch ordnete - er ist der vierte GM-Chef innerhalb von zwei Jahren und kommt jetzt erstmals nach Europa, um seine Ungeduld mit dem Tempo der Opel-Restrukturierung zu demonstrieren - kündigte der Opel-und GM-Europa-Chef Nick Reilly, ein geborener Walliser, an, Opel um jeden Preis 2012 wieder in die schwarzen Zahlen zu führen: "Das ist eine der schwierigsten industriellen Restrukturierungen aller Zeiten". 8300 der 48.000 Jobs in Europa fallen weg, das Werk in Antwerpen ist schon geschlossen. Damit soll Opel auch bei einem Absatzvolumen von nur rund 1,2 Millionen Autos profitabel arbeiten können.
Kein Zugang in die USA
Auch ins Ausland dürfen sich die Rüsselsheimer angesichts ihres stagnierenden europäischen Heimmarkts jetzt ausbreiten, nach China, Israel, Südafrika. Australien, Chile, Argentinien und den Nahen Osten. Nicht aber in die USA, wo man durchaus Chancen hätte. Aber dort wird Opels preisgekrönter Insignia als Buick verkauft. Und dort hat sich, ebenso wie in Asien und Lateinamerika, die Opel-Schwester Chevrolet längst als feste Größe etabliert, in Russland und China ist sie gar bedeutendster Importeur.
Und jetzt drängt Chevrolet - das heuer den hundertsten Geburtstag der Marke feiert - auf die etablierten Opel-Märkte in Westeuropa. Noch konkurrieren die Marken kaum miteinander, in Deutschland kommen die Autos - bisher größtenteils noch Modelle, die in Korea entwickelt wurden - gerade einmal auf einen Marktanteil von einem Prozent. Doch Chevy-Europachef Wayne Brannon hat ehrgeizige Ziele: "Wir bringen 2011 sieben neue Modelle". Von 2006 bis 2010 hat Chevrolet den Europaabsatz auf 500.000 Stück verdoppelt, bis 2015 will Chevy mindestens noch einmal auf eine Million Autos verdoppeln, weltweit verkaufte zuletzt man mehr als 4 Millionen Stück. Die Marke konzentriere sich in Europa vor allem auf Rivalen wie Seat, Skoda und Hyundai, heißt es. Doch im einzigen wirklich wachstumsträchtigen Segment der mittleren SUVs setzt Chevrolet in diesen Wochen den aufgefrischten Captiva mit einer Präsentation vor mehreren hundert europäischen Fachjournalisten in Tirol in Szene, die Rüsselsheimer dürfen den Wagen als Opel geschminkt unter dem Namen Antara anbieten - um einige tausend Euro teurer.
Und mit dem siebensitzigen Familienvan Orlando bringt Chevy ein Modell auf den Markt, das in Preis und Größe mit dem Opel Zafira konkurriert. Auch direkt mit Opel-Modellen konkurrierende neue Versionen der Chevy-Modelle Aveo und Cruze stehen in Genf. Und dort stellt auch GMs Elektroauto-Strategie Opel in die zweite Reihe: So darf Opel zwar GMs Elektroauto 2011 in Europa als Opel Ampera vertreiben. Zugleich bietet Chevrolet aber den weitgehend baugleichen Volt an - um einige Tausend Euro billiger.