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Chile will von USA Auslieferung des Mörders von Victor Jara

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Prominenter Sänger nach Putsch 1973 gefoltert und erschossen.


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Santiago de Chile. Wenige Monate vor dem 40. Jahrestag des Militärputsches hat die chilenische Justiz jetzt den vermutlichen Mörder des populären Sängers Victor Jara identifiziert und von den USA die Auslieferung des Verdächtigen verlangt. Der pensionierte Leutnant Pedro Barrientos Nunez, der seit dem Ende des Pinochet-Regimes in der Stadt Deltona in Florida als Gebrauchtwagenhändler lebt, soll nach Ermittlungen des Untersuchungsrichters Miguel Vasquez den ersten von insgesamt 44 Schüssen auf Jara abgegeben haben, durch die der Sänger am 16. September 1973 getötet wurde, nachdem ihm seine Peiniger zuvor die Hände zerschmettert hatten.

Ein Team des chilenischen Fernsehens hatte Barrientos vor Monaten in Florida aufgestöbert. Er leugnete jedoch, je im Estadio Chile gewesen zu sein, in dem die Pinochet-Junta nach dem Putsch vom 11. September 1973 rund 5000 politische Gegner festgehalten hatte, unter ihnen Victor Jara, dessen Namen das Stadion seit 2003 trägt.

Barrientos gilt gemeinsam mit ebenfalls bereits pensionierten Oberst Hugo Sanchez Marmonti als Hauptverdächtiger für die bestialische Ermordung von Jara. Sechs weitere Ex-Offiziere werden wegen Mittäterschaft angeklagt.

Auf die Spur der Mörder Jaras war man vor rund drei Jahren gekommen, als Jose Paredes, der zum Zeitpunkt des Putsches 18 Jahre alt war und seinen Militärdienst ableistete, in einer Zeugenaussage die Tat mit ihren grausamen Einzelheiten schilderte und die dafür verantwortlichen Offiziere namentlich nannte. Hunderte andere Soldaten hatten die Aussage zu den Vorgängen im Chile-Stadion verweigert.

Zwar hatte Paredes seine beeidete und unterschriebene Aussage später wieder zurückzuziehen versucht, nachdem ihm eine Gruppe von Ex-Soldaten einen Anwalt besorgt und seine Verlegung in ein Militärgefängnis veranlasst hatte, die Justiz war aber von der Stichhaltigkeit seiner ersten Aussage überzeugt. Victor Jaras Witwe Joan hatte damals betont, dass Paredes nicht als Einziger für den Tod ihres Mannes verantwortlich gemacht werden dürfe. Die Schuldigen seien vielmehr Pinochet und all die anderen, die an der Tat beteiligt waren und Geschmack am Töten fanden.

Am 11. September 1973 putschten in Chile von der CIA unterstützte Militärs. Das Bild zeigt den Angriff auf den Regierungspalast (Moneda), in dem sich der gewählte Präsident Salvador Allende aufhielt.

44 Schüsse auf den prominenten Gegner

Joan Jara musste im September 1973 ihren toten Mann und den Vater ihrer beiden Töchter in aller Stille beisetzen. Erst im Sommer 2009 wurde der Leichnam exhumiert und einer Autopsie unterzogen, bei der unter anderem 44 Einschüsse und dutzende Knochenbrüche festgestellt wurden. Die Wiederbeisetzung im Dezember 2009, an der tausende Menschen teilnahmen - an ihrer Spitze Präsidentin Michelle Bachelet, deren Vater ebenfalls zu den Opfern der Pinochet-Diktatur zählte - wurde zu einer Hommage an den verehrten Volkssänger.

Victor Jaras Tod wird oft mit dem des spanischen Dichters Federico Garcia Lorca verglichen, der kurz nach dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges von Franco-Anhängern in Viznar bei Granada mit drei weiteren Franco-Gegnern erschossen und verscharrt wurde. Auch beim Mord an Jara sollen weitere Mitgefangene erschossen worden sein, um mögliche Zeugen zu beseitigen.

Der am 28. September 1932 als Sohn eines Landarbeiterehepaars geborene Victor Jara war von seiner Mutter Amanda mit der chilenischen Folklore vertraut gemacht worden. Nach einem abgebrochenen Theologiestudium gründete er eine eigene Musikgruppe und studierte Schauspielerei. Wegweisend war für ihn war seine Begegnung mit der Sängerin Violeta Parra. Victor Jara zählte zu den hervorragenden Vertretern der "Nueva Cancion" (Neues Lied) in Südamerika - einer revolutionären Bewegung, der viele Künstler und Gelehrte angehörten.

Politisch engagierte sich Victor Jara in der Kommunistischen Partei und unterstützte die Volksfrontbewegung Unidad Popular, die 1970 den Sozialisten Salvador Allende ins Präsidentenamt brachte. Jara blieb bis zuletzt ein treuer Anhänger des Präsidenten. Er wurde am 13. September 1973 in der Technischen Universität in Santiago festgenommen und tagelang im Chile-Stadium gefoltert. Als man ihm seine Hände zertrümmerte und seine Peiniger in aufforderten, doch zu singen, soll der "Venceremos", das Unidad-Popular-Lied angestimmt haben, sein letztes Lied.

Chilenisches TV
Die Witwe Victor Jaras verlangt die Auslieferung seines Mörders (spanisch)