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Chiles autoritäre Rechte erzwingt Stichwahl

Von Hendrik Groth

Politik

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Zwar liegt der Sozialist Ricardo Lagos mit knapp 48 Prozent hauchdünn vor dem reaktionären Spitzenkandidaten Joaquin Lavin, dennoch hat die autoritäre Rechte in Chile allen Grund zum Jubeln. Zehn

Jahre nach Ende der Diktatur von General Augusto Pinochet hat sie am Sonntag ihr bestes Ergebnis eingefahren.

Mit seinen 47,5 Prozent hat Lavin sogar die 44 Prozent der Stimmen übertroffen, die 1988 in einem Plebiszit für die Beibehaltung des Pinochet-Regimes waren. Nun muss zum ersten Mal in der Geschichte

Chiles in einer Stichwahl darüber entschieden werden, wer in den Präsidentenpalast La Moneda einziehen wird.

Für das demokratische Lager von Christdemokraten bis Sozialisten wird es nun schwer. Es rutschte von 58 Prozent auf 48 Prozent ab. Die vier weiteren Kandidaten erhielten überraschend wenig Stimmen.

Die Kommunistin Gladys Marin kam gerade auf drei Prozent. Ihr wurden bis zu sieben Prozent zugetraut. Offenbar haben schon jetzt viele Kommunisten im ersten Wahlgang für Lagos gestimmt.

Eine Leihstimmen-Kampagne auf der Linken wird deshalb bei der Stichwahl im Jänner kaum Erfolg haben. Möglicherweise haben rechte Christdemokraten den Ausschlag gegeben. Für sie war es selbst 30 Jahre

nach Amtsantritt des von Pinochet 1973 gestürzten Präsidenten Salvador Allende schwer vorstellbar, einen Sozialisten zum Staatschef zu wählen.

Doch es gibt auch andere Gründe für den Erfolg des 46-jährigen Lavin. "Die Rechte hat einen handwerklich perfekten Wahlkampf geführt", sagte der deutsche Wahlkampfexperte Jörg Richter. "Die haben bei

Blair und Schröder abgeguckt. Lavin nutzte geschickt die Schlagworte wie ,Wechsel',,jung und neu'." Bei den 18- bis 25-Jährigen habe Lavin besser gezogen als der 60-jährige Lagos.

Die demokratischen Parteien qualifizierte Lavin als "traditionelle Parteien" ab, die zur Lösung der Probleme Chiles nicht fähig seien. Bei der Volksabstimmung über die Militärdiktatur 1988 hatte der

Pinochet-Günstling seinen Landsleuten noch die Fähigkeit zur Demokratie abgesprochen. Dennoch erwähnte er seinen politischen Ziehvater bei seinen Auftritten nicht mit einen Wort. Populismusvorwürfe

oder Angriffe über fehlende demokratisches Bewusstsein prallten an dem streng gläubigen Katholiken ab. Das Versprechen der Schaffung von Arbeitsplätzen überzeugte offenbar auch die verarmten

Menschen, die sonst zu den Stammwählern der demokratischen Parteien gehören. Geschickt vermied es der immer freundlich wirkende Wirtschafts-Wissenschaftler, seine enge Verflechtug mit der Pinochet-

Rechten offen zu legen. Selbst die rechtsextreme UDI-Partei, die während der Diktatur zu einer Grundlage des Regimes wurde und deren Mitglied Lavin ist, fiel im Wahlkampf nicht auf.