Erstmals seit seinem Sturz als Parteichef unmittelbar vor dem Tiananmen-Massaker vor genau 14 Jahren ist in China ein Foto von Zhao Ziyang veröffentlicht worden. Er lebt!, hieß die Botschaft, mit der Berichte japanischer Medien über dessen Tod widerlegt wurden. Das kürzlich enstandene Bild zeigt den 83-Jährigen, der seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung öffentlich nicht mehr gesehen worden ist, mit weißen Haaren und bei offensichtlich bester Gesundheit.
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In kräftigen roten Zeichen prangt auf der Titelseite des politischen Magazins "Fenghuang" (Phoenix Weekly): "Die Gerüchte über den Tod von Zhao Ziyang." Ohne Erlaubnis der staatlichen Zensurbehörden hätte das populäre Blatt den Artikel nicht drucken dürfen. Es gehört dem Hongkonger Fernsehsender "Phoenix" und wird in der südchinesischen Stadt Shenzhen gedruckt. Mit Genehmigung der Behörden wird es wie jedes andere chinesische Magazin an allen Zeitungsständen des Landes verkauft.
Wie heikel die Sache ist, zeigt sich daran, dass es aber auch lieber nur eine andere Hongkonger Zeitung über Zhao Ziyang mit den Worten zitiert: "Sein Gesundheitszustand ist gut."
Die Veröffentlichung vor diesem Mittwoch, dem 14. Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989, deutet auf Sorgen in der Führung über die Gerüchte hin. Bisher wurde Zhao Ziyang immer als "Unperson" behandelt, die mit einem Mantel des Schweigens umgeben wurde. "Es ist sehr bequem, sich der Hongkonger Medien zu bedienen", kommentierte ein europäischer Diplomat.
Zhao Ziyang galt immer als Hoffnungsträger für ein anderes China, in dem wirtschaftlicher Fortschritt auch von politischen Reformen begleitet wird. Gegenüber den Demonstranten hatte er eine moderate Linie verfolgt, war aber von Hardlinern ausmanövriert worden. Seit einem emotionalen Auftritt bei den Studenten auf dem Tiananmen-Platz ist Zhao Ziyang nicht mehr gesehen worden. Nachdem der Aufstand mit Panzern niedergewälzt worden war, urteilte die Partei, Zhao Ziyang habe "die Partei gespalten" und "die Unruhen unterstützt".
Heute führt ausgerechnet sein ehemals enger Mitarbeiter, Wen Jiabao, die neue Regierung an. Er hatte ihn damals auch zu den Studenten auf dem Platz begleitet. So wurde Wen Jiabao bei seinem Amtsantritt im März prompt von einem ausländischen Journalisten nach einer Rehabilitierung Zhao Ziyangs gefragt. Doch wich er der Frage aus und sagte, die Partei habe damals "entschiedene Maßnahmen" ergriffen, um die Situation zu stabilisieren.
Dass ausgerechnet zu Beginn seiner Regierungszeit das Bild seines früheren Mentors erscheinen darf, muss nicht zufällig sein. Doch deutet es keinen Kurswechsel an. Politisch Andersdenkende geben sich da keinen falschen Hoffnungen hin. Die unverändert harte Hand der Staatssicherheit demonstrierten jüngst die harschen Urteile von acht bis zehn Jahren Haft gegen vier junge Sozialreformer. Sie hatten nur ein paar Artikel ins Internet gestellt und über politische Ideen diskutiert, die unter chinesischen Akademikern keineswegs tabu sind.
Vergeblich erhoffen sich auch die Familien der Opfer des Massakers einen "neuen Anfang" von Wen Jiabao und dem neuen Präsidenten und Parteichef Hu Jintao. Sie fordern seit Jahren eine Untersuchung des Massakers, eine Entschädigung und Rehabilitierung. "Wir appellieren an die neue Regierung, das Ereignis neu zu beurteilen und eine weise Entscheidung zu treffen." Doch statt einer Antwort bekommen sie zum Jahrestag nur wieder Besuch von Agenten der Staatssicherheit. dpa