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China - das ist dort, wo Hoffnung ist

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Ein "Zukunftsmarkt" wird zum Rettungsanker. Der Optimismus der traditionellen Industriestaaten ist nämlich schon tief genug für neue Perspektiven.


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Wenn der Kfz-Markt ein wichtiger Indikator der Wirtschaftskraft ist, dann hat die Volksrepublik China ungeachtet anderer trister ökonomischer Daten bereits die Kurve genommen. Wenn es um die Nutzung der Atomkraft geht, dann ist das "Schwellenland" dabei, sich mit allen Erfolgsmeldungen und leider auch Problemfeldern in die Reihe der Industrieländer einzuordnen. China wird nach dem Ende der Weltwirtschaftskrise anders, nämlich stärker, dastehen als davor - auch politisch.

OECD-Chef Angel Gurria konstatierte, dass das Konjunktur-Stützungsprogramm Pekings von rund 450 Milliarden Euro bereits wirke. Im ersten Quartal hätten die staatlichen Investitionen und Kreditvergaben der Banken die Hälfte dessen ausgeglichen, was durch die geringeren Exporte weggebrochen sei. Auch die US-Konjunktur profitiere davon.

Wie wahr. Die Konjunkturzacken mitten in der Rezession halfen dem US-Dino General Motors dabei, ehe dieser in Konkurs geht, im März doch noch 137.000 Fahrzeuge in China abzusetzen. Was im Fall GM so etwas wie die Euphorie vor dem Ende ist, ist für andere und darunter auch noble Automarken die Zukunft schlechthin. Das zeigte sich auf der Automesse in Shanghai, auf der sich BMW, Mercedes und Audi anstellten.

Auf undramatische Weise hat sich China eine neue Aufmerksamkeit erkämpft. Diese zeigte sich unter anderem darin, dass auch ein US-Schiff teilnahm, als die chinesische Marine anlässlich ihres 60. Gründungstags vor der Hafenstadt Qingdao die Atom-Unterseeboote "Langer Marsch 6" und "Langer Marsch 3" aufkreuzen ließ - als große Friedensdemonstration, wie der chinesische Staats- und Parteichef Hu Jintao vor Abordnungen aus 29 Ländern betonte.

Frankreich schloss überhaupt gleich ein neues atomares Kooperationsabkommen mit der chinesischen Atombehörde. Diese ist der Paradefall der fast weltweiten Renaissance der atomaren Energieerzeugung: 24 AKW sind im Bau, China setzt voll auf Kernkraft.

Auch wenn das Riesenreich mit der gleichen Depression kämpft wie praktisch alle Staaten und "nur noch" rund sechs Prozent BIP-Wachstum vorweisen kann - es ist der einzige Großraum, dessen Wirtschaft überhaupt noch wächst und die größten Währungsreserven hat, die mit 1,954 Billionen Dollar angegeben werden.

In einer derartigen Position fühlt sich China berechtigt, anderen Großen dieser Welt - einschließlich USA - währungspolitische Ratschläge zu erteilen. So geschehen beim jüngsten G20-

Gipfel in London, der ebenfalls die neuen Strukturen deutlich machte: Die traditionellen Mächte sind heilfroh, dass die Machthaber in Peking bei so irritierenden Ereignissen wie dem Start einer nordkoreanischen Interkontinentalrakete einen ausgesprochen konservativen, auf Beruhigung zielenden Kurs verfolgen.

Von der Gegenwart linear hochzurechnen, ist immer eine riskante Sache. Somit sind diverse Hypothesen, die für 2050 einen Übergang der Weltvorherrschaft von den USA auf China voraussehen, mit großer Skepsis zu bewerten. Da kann noch vieles eintreten, womit niemand rechnet. Für die Gegenwart aber ist China ein neuer und derzeit auch berechenbarer Machtfaktor geworden.

Die Pekinger Machthaber unternahmen in der schon mehrere Monate dauernden brenzligen Wirtschaftssituation nichts, um die Verwirrung und Ratlosigkeit zu steigern. Wie denn auch - China hat, so wie die anderen, viel zu verlieren.