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China gefällt das nicht

Von Wolfgang Liu Kuhn

Wirtschaft
© facebook/screenshot WZ

Immer verzweifelter wirken die Bemühungen Zuckerbergs, Facebook zurück nach China zu bringen.


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Peking. Es heißt, wer es in China zu etwas bringen will, sollte vor allem die hohe Kunst des "pai ma pi" beherrschen. Das bedeutet "Pferdearsch-Streicheln", ist als unterwürfige Geste zu verstehen und hat seinen Ursprung in der Mutmaßung, dass mächtige Herren in China meist ebensolche Hinterteile haben. Mark Zuckerberg dürfte den Ausdruck kennen, immerhin hat er 2010 damit begonnen, Mandarin zu lernen. Vier Jahre später hielt er radebrechend seine erste Rede an der Tsinghua University in Peking, ein Jahr später gab er an derselben Stelle bereits eine weitaus passablere Figur ab. Was einmal mehr den unbändigen Ehrgeiz des Facebook-Gründers unterstreicht, dessen Ambitionen denen des ersten chinesischen Kaisers Qin Shihuangdi ähneln, der alle Menschen unter dem Himmel einen wollte. Bei Zuckerberg klingt das dann so: "Man kann es sich nicht zur Aufgabe machen, alle Menschen in der Welt miteinander zu verbinden, und dann das größte Land der Welt außer Acht lassen."

Smog-Joggen in Peking

Mit China verbindet Facebook eine ebenso wechselhafte wie sehnsuchtsvolle Beziehung. 2009 wurde das soziale Netzwerk wegen der Unruhen in der westchinesischen Provinz Xinjiang gesperrt - zu diesem Zeitpunkt waren 384 Millionen Chinesen online. Heute sind es 730 Millionen oder 53 Prozent der Bevölkerung. Zwar wiederholt Zuckerberg mantraartig, dass dies nur eine Zahl sei, aber Facebooks Geschäftsmodell ist auf Zahlen aufgebaut: auf User, Gefällt-mir-Angaben, geteilten Beiträge und vor allem den Einnahmen aus bezahlter Werbung. Trotz der Sperre ist China der wichtigste Werbemarkt für Facebook in Asien, da chinesische Unternehmen fleißig Werbung schalten. Ironischerweise zählen auch die chinesische Regierung und deren Medienunternehmen zu den wichtigsten Werbekunden, da diese viel Geld ausgeben, um ihren Einfluss im Ausland zu vergrößern - weniger subtil als die russische Influencer-Taskforce, aber unterlegt mit monatlich sechsstelligen Dollar-Beträgen. Was wäre also erst möglich, wenn das Netzwerk in der Volksrepublik voll funktionstüchtig wäre - und nebenbei die Userzahlen kräftig nach oben pushen würde?

Um dieses Ziel zu erreichen, betreibt Mark Zuckerberg eine Art sehr persönlicher Lobby-Arbeit, die an Selbstverleugnung grenzt. Als Chinas - mittlerweile in Ungnade gefallener - Internet-Zar Lu Wei 2014 die Facebook-Zentrale in Kalifornien besuchte, lag auf dem Schreibtisch des Chefs wie zufällig das Buch von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Natürlich sollte jeder Mensch "China regieren" gelesen haben, befand Zuckerberg, woraufhin sich nicht einmal der gebauchpinselte Lu ein Grinsen verkneifen konnte. 2015 traf der Facebook-Gründer den chinesischen Präsidenten persönlich bei einem Staatsbankett im Weißen Haus. Er war sich nicht zu schade, Xi um einen Namen für sein ungeborenes Kind zu bitten, was dieser peinlich berührt ablehnte. Ein Jahr später sorgte der US-Unternehmer mit einem Publicity-Stunt für Aufsehen. Unter Pekings toxischer Smog-Glocke joggte er lächelnd an Maos Porträt vor der Verbotenen Stadt vorbei. Status-Update: "Es ist großartig, wieder in China zu sein."

Maßgeschneidertes Zensur-Tool

Doch auch Zuckerberg weiß, dass er mit Einschmeicheln alleine nicht weit kommen wird. Und probiert es mit handfesteren Taktiken: So erschien im letzten Jahr heimlich, still und leise eine Foto-App mit dem Namen Colorful Balloons am chinesischen Markt, die verdächtige Ähnlichkeiten mit Facebooks "Moments" App hatte. Der Testballon des US-Konzerns schwebte kurz über der chinesischen Internet-Landschaft und ist mittlerweile wieder verschwunden. Dafür hat es der Tochterkonzern Oculus vor kurzem geschafft, seine vom chinesischen Hersteller Xiaomi gefertigten Virtual-Reality-Brillen exklusiv in der Volksrepublik zu verkaufen. Ein kleiner Sieg, aber nicht der große Wurf, für den Facebook seit 2016 auch an einem Werkzeug bastelt, das es "dritten Seiten" erlauben soll, populäre Einträge und Schlagworte auf Facebook zu beobachten. Mit anderen Worten: maßgeschneiderte Online-Zensur. Zwar kam diese noch nicht zum Einsatz, aber auch die jüngste Entscheidung, journalistische Nachrichten aus den News-Feeds zu verbannen, darf auch als Kotau in Richtung China verstanden werden.

Doch während Facebook immer verzweifelter versucht, Peking zu gefallen, werden dort die Grenzzäune des Internets immer höher gezogen. Mit Instagram und WhatsApp sind zwei weitere Zugpferde des US-Konzerns geblockt, und Xi Jinping selbst machte beim letzten KP-Parteitag deutlich, dass er die Kontrolle von Partei und Regierung auf jeden Winkel des Lebens in China ausdehnen will. Neben sekundenschneller Gesichtserkennung der allgegenwärtigen Videokameras arbeitet das Land auch an einem Sozialkredit-Punktesystem, welches jeden Einzelnen bewertet und nicht erwünschtes Verhalten bestraft.

Ob Facebook da mithalten kann? Wang-Li Moser, die Statthalterin des Konzerns in China meinte offensichtlich Nein und warf vor einigen Wochen frustriert das Handtuch. Tröstend gab Xi Zuckerberg beim letzten Treffen im Oktober ein chinesisches Sprichwort mit auf dem Weg: "Trotz eines gescheiterten Deals verbleibt die Freundschaft."