Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der Hauptverbündete von US-Präsident Bush im Kongress, Tom DeLay, hat vor ein paar Wochen in einer vernichtenden Rede der "Ein-China-Politik" der USA eine Absage erteilt. Diese gilt seit den 70er Jahren und unterstützt Chinas Anspruch auf Taiwan. DeLay verurteilte die chinesische Führung, weil sie eine "todbringende Ideologie" verfolge.
Er bezeichnete China als einen "rückständigen, korrupten Anachronismus, der von klapprigen Tyrannen geführt wird". DeLay sagte weiter, dass Bush nun erkenne, dass "das Böse Gesellschaft liebe" und dass es "in all seinen Formen mit allen Mitteln" bekämpft werden muss. China sei damit "unter die US-Feinde im Kampf gegen den Terror" eingereiht worden, interpretierte die Nachrichtenagentur Agence France Press (AFP). "Das Weiße Haus und das Außenministerium gaben zur Rede keine Stellungnahme ab", berichtete AFP über die Position der Regierung.
Besonders bemerkenswert an DeLays Rede war, dass er sehr darauf bedacht war, die chinesische Führung genauso wie die Nordkoreas darzustellen. Diese Regime "bedrohen die Sicherheit der ganzen Welt", so der republikanische Kongressabgeordnete für Texas. Beinahe schon als direkte Drohung betonte DeLay die Bereitschaft der USA, sich auf eine Konfrontation einzulassen. "Die Welt merkt langsam, dass heutzutage die Regierung der USA meint, was sie sagt." Solche Aussagen sind deutliche Warnsignale. Aber eigentlich wurde eine in diese Richtung gehende Politik von den USA schon vor Jahren verfolgt.
Seit den späten 1990er Jahren haben die Neokonservativen in den USA Kampagnen gestartet, um die Regierung in Peking zu dämonisieren und ihre Unrechtmäßigkeit anzuprangern. Auf diese Weise sollte eine entscheidende Konfrontation mit China erzwungen werden.
Angeblich wollten die Neokonservativen den Fall des 2001 in China festgehaltenen Spionageflugzeugs als einen solchen Anlassfall für eine Konfrontation nutzen. Es sei nur Colin Powell gewesen, der sie zurückgehalten habe. Nicht erstaunlich, dass die "New York Times" unlängst aufdeckte, dass die Neokonservativen Powell durch einen ihrer eigenen Leute ersetzen wollen. Ein paar Tage vor der Rede DeLays erhielt Aaron Friedberg, ein neokonservativer China-Spezialist, eine Stelle im Außenpolitikteam von Vizepräsident Dick Cheney. Diese Position erlaubt es ihm, die Chinapolitik der USA entscheidend zu beeinflussen. Friedberg hält angeblich eine kämpferische Auseinandersetzung zwischen der USA und China für unausweichlich.
Der Kolumnist George Will forderte in den späten 1990ern den "Sturz der chinesischen Regierung". Frank Gaffney, Gründungsmitglied der neokonservativen Denkfabrik "Project for a New American Century" (PNAC), sagte 2001, dass "die Regierung der USA es sich zum Ziel setzen soll, der kommunistischen Regierung in China die Legitimation zu entziehen und sie im Endeffekt zu stürzen". Ein Jahr später forderte der Vorsitzende des wichtigen parlamentarischen Ausschusses für internationale Beziehungen, Henry Hyde (republikanischer Abgeordneter für Illinois), das Gleiche. Zu diesem Zweck sollte sich die USA an das chinesische Volk wenden. "Wir haben unseren größten Verbündeten übersehen: Das Volk von China", so Hyde. "Politische Freiheit in China ist bei weitem keine rein innenpolitisch chinesische Angelegenheit. Sie betrifft die USA direkt."
Diese Aussagen erinnern an jene von Dick Cheney und Condoleezza Rice, die voraussagten, dass der Irakkrieg eine "Welle der Demokratie" durch den Mittleren Osten schicken werde. Aber die Demokratisierung im Irak lässt bisher auf sich warten.
In den späten 1990ern begann sich das Pentagon mit einer chinesischen Bedrohung zu befassen. Auf Empfehlung der Denkfabrik PNAC ist die USA gerade dabei, ihre Truppen neu zu ordnen, um sie im Pazifik zu konzentrieren. Es sollte angemerkt werden, dass sowohl Verteidigungsminister Donald Rumsfeld als auch Dick Cheney Gründungsmitglieder der PNAC sind. Ebenfalls dabei sind Aaron Friedberg und Cheneys Stabschef und Kopf seines Außenpolitikteams, Lewis Libby.
Ein Papier der US-Armee aus dem Jahr 2001 zeigt auf, wie die USA einen Krieg mit China "automatisch" durch Truppenverschiebungen anzetteln könnten, um die demokratische Debatte über eine Kriegsführung zu umgehen. Der Autor dieses Armeedokuments schrieb, dass "die Schwäche der USA nicht in ihrer Ausrüstung sondern im fehlenden Willen der Bevölkerung" liege.
In dem Dokument wurden die Spratly-Inseln, die reich an Ressourcen sind, als möglicher Schauplatz für eine US-chinesische Konfrontation genannt. Der Schlüssel dazu könnten die Philippinen sein, die Alliierte der USA sind und den Ölreichtum in dieser Gegend kontrollieren. Umso überraschender war die Ankündigung Chinas am 31. August, dass sie gemeinsam mit den Philippinen den Ressourcenabbau auf den Spratly-Inseln forcieren wollen. Andere Länder, die ebenfalls Anspruch auf das Gebiet erheben, sollten auch in den Prozess miteingebunden werden, so Chinas Vorschlag.
Berichten zufolge haben China und die Philippinen außerdem einen Vertrag zum Währungsaustausch im Wert von einer Mrd. Dollar unterzeichnet. Zusätzlich sponsort China noch das nationale Eisenbahnnetz der Philippinen mit 500 Mill. Dollar. Es bleiben jedoch Befürchtungen, dass die Nordkorea-Frage - und nicht die Spratly-Inseln - der eigentliche Konfrontationsauslöser sein könnten.
Die Bush-Regierung führte im September Marine-Manöver im "Coral Sea" vor der australischen Küste durch. Offiziell sind die Übungen "gegen kein spezifisches Land gerichtet", sie sollen aber auch ein "deutliches Signal an Nordkorea" sein. Laut einem "New York Times"-Artikel vom August haben Diplomaten jedoch bereits gewarnt, dass solche Übungen von Kim Jong Il in Nordkorea, aber auch von China und Russland als Provokation empfunden werden könnten. Nord Korea etwa hat die USA bereits beschuldigt, dass die Manöver nur ein Vorspiel zum Truppeneinmarsch seien.
"Nordkorea ist das nächste Land, das die US-Kriegstrommel zu hören bekommen wird", titelte am 7. August die kanadische Tageszeitung "Globe and Mail". Der Artikel weiter: "Ein hochrangiger Berater des Pentagon hat Details über eine US-Kriegsstrategie für die Invasion Nordkoreas und den Sturz des Regimes innerhalb von 30 bis 60 Tagen bekannt gegeben. Damit wurde eine Lobbying-Kampagne von US-Aufklärern gestärkt, die einen Präventivschlag gegen Nordkorea fordern."
Die derzeitigen Negativ-Schlagzeilen rund um den Irak könnten dazu führen, dass die Neokonservativen ihre Kriegs-Ambitionen auf Eis legen. John Pike, der Direktor der Denkfabrik "Global Security", hingegen bezeichnete die Militärübungen in Asien als eine "Vorbereitung und eine Erinnerung". Auf die Frage worauf die Übungen vorbereiten sollen, sagte er: "Auf den Sturz des Regimes in Nord Korea."
Übersetzung: Barbara Ottawa