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China ist kein sicherer Partner für Maduro

Von Klaus Huhold

Politik

Noch unterstützt China Venezuelas Machthaber. Aber Peking hat in solchen Fällen schon oft pragmatisch agiert.


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Caracas/Wien. Verhandeln will Juan Guaidó nicht mehr. "Die Krise in Venezuela ist mit einem Dialog nicht zu lösen", sagte der selbsternannte Interimspräsident dem mexikanischen Sender Milenio TV. Mexiko und Uruguay wollten zu einer internationalen Konferenz laden, um die Basis für neue Gespräche der Regierung mit der Opposition zu legen. Doch zu tief ist das Misstrauen, dass Guaidó gegen den linksautoritären Präsidenten Nicolás Maduro hegt.

Der 35-Jährige setzt stattdessen auf den Druck der Straße. Obwohl Demonstrieren in Venezuela oft eine lebensgefährliche Angelegenheit ist und Tote fordert, will die Opposition an diesem Wochenende erneut auf die Straße gehen. Zudem ist Guaidó bemüht, das Militär -und damit die wichtigste verbliebene Stütze von Maduros bröckelnder Herrschaft - für sich zu gewinnen. Er hat Soldaten, die die Fronten wechseln, Straffreiheit versprochen.

Um das ölreiche Land ist ein globales Match entbrannt

Venezuelas Krise ist aber schon längst nicht mehr nur eine innenpolitische, sie ist auch ein weltpolitischer Machtkampf. Und auch bei diesem Match versucht Guaidó, möglichst viele wertvolle Spieler für sich zu gewinnen. Die USA waren von Anfang an seine großen Unterstützer. Kaum hatte sich der Oppositionsführer zum Interimspräsidenten ernannt, wurde er von den USA schon anerkannt. Höchstwahrscheinlich war dieser Schritt auch mit der Administration von US-Präsident Donald Trump abgesprochen, die nun das venezolanische Öl nur mehr Guaidó abkaufen will. Die EU gibt sich etwas verhaltener, tendiert aber ebenso zu Guaidó. Lateinamerika ist gespalten, konservative Regierungen wie die von Argentinien unterstützen Guaidó, linke wie die von Kuba hingegen Maduro.

Zwei gewichtige internationale Akteure hielten Maduro bisher die Treue: Russland und China. Sie werden nun von Guaidó umgarnt: "China und Russland kommt ein Regierungswechsel in diesem Land ohne Zweifel ebenfalls zugute", verkündete der Wirtschaftsingenieur. Der Kreml wies diesen Annäherungsversuch sofort zurück: "Das Staatsoberhaupt ist Herr Maduro", verkündete Moskau.

Viel bedeckter hielt sich China. Die Volksrepublik stünde, "was die Situation in Venezuela betrifft, mit allen relevanten Parteien in Kontakt", verkündete das Außenministerium. Peking ist damit zwar noch lange nicht von Maduro abgerückt, volle Unterstützung hört sich aber anders an.

Sich nicht einzumischen, funktioniert für China nicht

Dass China sich nicht in interne Angelegenheiten einmische, ist immer wieder das offiziell vorgetragene Mantra der KP, wenn es in anderen Ländern zu Krisen kommt. Auch viele Statements in Bezug auf Venezuela - etwa, wenn Peking verkündet, dass man eine Partnerschaft auf Augenhöhe pflege - lassen dieses Prinzip anklingen. Doch gerade der Fall des ölreichen Landes zeigt, dass es für China gar nicht mehr möglich ist, sich nicht einzumischen - weil die Volksrepublik dafür schon viel zu einflussreich ist. Nirgendwo ist Caracas derart verschuldet wie bei den Kreditgebern aus Peking - Schätzungen zufolge belaufen sich die Verbindlichkeiten auf 20 Milliarden Dollar.

Venezuela kann die Schulden nicht wie vereinbart zurückzahlen. Laut Medienberichten begleicht Caracas deshalb seine Verbindlichkeiten in Form von Öl. Angekündigt waren eine Million Barrel pro Tag, doch nicht einmal ein Fünftel davon soll Venezuela schaffen. Es liegt nun an China, mit welcher Vehemenz es die Schulden einfordert und wie sehr es damit Druck auf Maduro aufbaut - oder wie sehr es ihm, etwa durch einen Rückzahlungsaufschub, hilft.

Generell hat sich im Falle Venezuelas gezeigt, dass das Prinzip der Nichteinmischung oft eine Nebelgranate ist. Denn in der Praxis bedeutet das oft, dass China US-feindliche Regierungen gewähren lässt, dort Fuß fasst, wo sich die USA abwenden. Wenn die Volksrepublik damit auch noch ihren Rohstoffhunger stillen kann, macht das die Angelegenheit für sie noch attraktiver. So war es nur logisch, dass China gleich Anfang dieses Jahrtausends - bald nach der Machtübernahme von Hugo Chávez - mit Venezuela eine strategische Partnerschaft einging. Peking bekam Zugriff aufs Öl, Chávez konnte die USA in ihrem Hinterhof zurückdrängen.

Ähnlich verfährt China in anderen Ländern. Sei es der - ebenfalls rohstoffreiche - Kongo, sei es Simbabwe unter Robert Mugabe: Wo es mit dem Westen kriselt, ist China oft zur Stelle und weitet somit seinen globalen Einfluss aus.

Peking arrangiert sich auchmit unliebsamen Situationen

Gleichzeitig hat Peking aber bewiesen, dass es sehr pragmatisch agieren kann. Als Mugabe in Simbabwe nicht mehr zu halten war, wandte sich China von ihm ab und unterstütze die neuen Machthaber. Oder das Beispiel Myanmar: Nachdem dort die Militärjunta Teile ihre Macht abgegeben hatte, wurde vermutet, dass sich das Land dem Westen zuwendet. Mittlerweile hat Peking aber ein sehr gutes Auskommen mit Friedensnobelpreisträgerin und De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi gefunden.

Deswegen kann Maduro nicht darauf bauen, dass er mit Chinas Staatschef Xi Jinping einen Freund fürs Leben gewonnen hat. Peking würde wahrscheinlich wenig erfreut darüber sein, sollten die USA mit einer Machtübernahme Guaidós wieder viel stärkeres Gewicht in Venezuela bekommen, aber es würde sich damit arrangieren können. Ein weiteres Statement aus Peking war in dieser Hinsicht schon sehr vielsagend: "Wie sich die Situation in Venezuela auch entwickelt, sind wir überzeugt davon, dass die Kooperation zwischen China und Venezuela keinen Schaden nehmen wird", verkündete das Außenministerium.