Peking will mehr zollfreien Handel mit Südamerika.
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Buenos Aires. Die Zugstrecke, die in die argentinischen Mais- und Soja-Anbaugebiete führt, ist schon lange rostig. Seit ein paar Jahren sieht sich der argentinische Staat - in dessen Teilbesitz die Schienen sind - gezwungen, dieses Stück zu renovieren. Doch woher bekommt das südamerikanische Land, dem die Märkte nach der Staatspleite 2001 noch immer nicht so recht vertrauen, das Geld? Die Verstaatlichung des Ölkonzerns YPF im heurigen Frühling hat diesbezüglich wenig geholfen. Woher bekommt Buenos Aires also am Markt vorbei Geld zu billigen Konditionen? Von China.
Die Volksrepublik gilt schon lange als einer der besten Kunden lateinamerikanischer Rohstoffe und hat schon in der Vergangenheit immer wieder die Geldbörse aufgemacht. Ein Abkommen von einem Kredit über zwei Milliarden Dollar zu günstigen Zinsen wurde diesmal beim Staatsbesuch in Buenos Aires von Chinas Ministerpräsident unterschrieben. Doch diesmal wollte Wen Jiabao noch eine Gegenleistung: und zwar eine Freihandelszone mit dem mächtigsten Wirtschaftsblock Südamerikas, dem Mercosur.
Die Machbarkeit einer Freihandelszone sollte geprüft werden, wünscht sich Wen. Doch der Mercosur - bestehend aus den vier Ländern östlich der Anden - Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay - ist nicht nur der mächtigste Wirtschaftsblock, sondern auch der mit dem höchsten Protektionismus. Vor allem die Regierungen von Argentinien und Brasilien haben wenig Lust, ihr gesamtes Zollsystem, das schließlich den Sozialstaat unterstützt, gegenüber China aufzubrechen.
Andererseits: China ist - nach der EU - der zweitwichtigste Handelspartner des "Mercado Común del Sur", des gemeinsamen Marktes des Südens. Weswegen Gastgeberin Cristina Kirchner genauso wie die per Videokonferenz zugeschalteten Staatschefs Brasiliens - Frau Dilma Rousseff - und Uruguays - José Mujica - diplomatisch auf die Bitte Wens nach "Evaluierung eines möglichen Freihandelsabkommens" - auch wenn der Gast aus China zugleich in Aussicht stellt, noch mehr Mais in Argentinien zu kaufen.
Drei von vier reichen China
Wen war klar, dass eine bessere Gelegenheit, Druck auf die Mercosur-Mitglieder auszuüben, nicht so bald kommen wird. Denn das vierte Mercosur-Mitglied, Paraguay, ist - nach einem umstrittenen Wechsel an der Staatsspitze - derzeit politisch in der Isolation. Kein südamerikanisches Land hat den neuen Staatschef, der vergangene Woche ernannt worden ist, bisher anerkannt. Kritiker sprechen von einem verkappten Staatsstreich.
Der Mercosur hat Paraguay sogar auch vom kommenden Gipfeltreffen am 28 bis 29. Juni im argentinischen Mendoza ausgeschlossen. Das spielt China in die Hände. Denn die Volksrepublik hatte schon bisher nur Beziehungen zu den drei Mercosur-Ländern Argentinien, Brasilien und Uruguay - der nun isolierte vierte Partner Paraguay unterhielt zu viel handel mit Taiwan.