Mit dem Aufstieg zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht verbraucht China heute mehr Energie als jedes andere Land der Erde. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat errechnet, dass China die USA als größter Energieverbraucher überholt hat.
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Die Nachfrage im bevölkerungsreichsten Land der Erde habe gewaltig zugelegt. Der jüngste Zuwachs sei größer als erwartet gewesen, weil sich die chinesische Wirtschaft mit zehn Prozent Wachstum schneller als andere Volkswirtschaften von der globalen Wirtschaftskrise erholt habe.
Seit 2000 hat sich Chinas Bedarf an Energie verdoppelt, auch wenn der Pro-Kopf-Verbrauch erst bei einem Drittel der reichen Industriestaaten liegt. Die Regierung in Peking beharrt zwar darauf, dass China die USA im Energieverbrauch noch nicht überholt habe, spürt aber, wie stark der Aufschwung an den Energieressourcen zerrt. Der heiße Sommer kurbelt noch zusätzlich den Stromverbrauch an. Die Klimageräte laufen auf Hochtouren. Strom wird knapp. Viele Provinzen müssen rationieren, damit die Lichter nicht ausgehen.
Blackout als Strafe
Rund 500 energieintensiven Unternehmen in der Provinz Anhui wurde diese Woche der Strom für einen Monat abgestellt. Das Blackout wurde offiziell als Strafmaßnahme beschrieben, weil sie die verordneten Energiesparziele nicht erreicht hätten. Die Zhongcheng Zementfabrik in Huaibei, die rund eine Million Tonnen im Jahr produziert, erfuhr erst zwei Tage vorher von der Stromsperre. "Wir sind beunruhigt, weil wir mehrere Aufträge nicht erfüllen können", klagte Manager Sun Yangzhi laut "China Daily". Die 700 Arbeiter bekommen die Gehälter gekürzt, sollen aber zu Wartungsarbeiten reinkommen.
Auch andere Provinzen greifen zu radikalen Maßnahmen und brüsten sich als Klimaschützer. Doch machen sie aus der Not eine Tugend. Zum einen überwinden sie den sommerlichen Strommangel, indem sie da kürzen, wo es sich am meisten lohnt. Zum anderen hat China landesweit zum Endspurt angesetzt: Es will das vor fünf Jahren groß propagierte Ziel erreichen, seine Energieintensität, also den Verbrauch pro Wirtschaftseinheit, bis Ende dieses Jahres um 20 Prozent zu senken.
Das Konjunkturprogramm und die massive Kreditvergabe durch die Staatsbanken haben die Wirtschaft derart in Schwung gebracht, dass das Ziel gefährdet ist. In den vergangenen vier Jahren ging der Verbrauch für jeden erwirtschafteten Yuan um 14,8 Prozent zurück. Doch im ersten Quartal kehrte sich der positive Trend um: Der Verbrauch stieg sogar um 3,2 Prozent. Alarmiert gab die Regierung grünes Licht für "drastische Maßnahmen", wie etwa Lieferungen von Elektrizität an Stromfresser zu begrenzen oder Subventionen zu beenden. Das Signal ist klar: Der Plan muss erfüllt werden.
Chinas Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel. In Kopenhagen hat der größte Klimasünder der Welt versprochen, seinen Energieverbrauch pro Wirtschaftseinheit bis 2020 um 40 bis 45 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Aber auch das wird nicht reichen, um die Erderwärmung ausreichend zu bremsen. Chinas Energieverbrauch und Ausstoß an Treibhausgasen werden in absoluten Zahlen weiter kräftig steigen, weil die Wirtschaft auch in Zukunft stark wachsen dürfte.
Solar- und Windanlagen
Wenn China so weiter macht wie in den vergangenen zehn Jahren, wird es 2020 mehr als die Hälfte der heute in der Welt benötigten Energie verbrauchen, erwarten chinesische Forscher und mahnen "drastische Veränderungen" an. China ist auch keineswegs untätig. Das Land hat sich zum weltweit führenden Produzenten von Solar- und Windanlagen aufgeschwungen. Nirgendwo auf der Welt gibt es soviele Wasserkraftwerke. Bis 2020 sollen 15 Prozent der Energie aus nicht fossilen Quellen kommen. China setzt dafür auch auf die Atomkraft. Nirgendwo sind mehr Kernkraftwerke im Bau oder in Planung.
Doch die fatale Abhängigkeit von der Kohle, die das Riesenreich mit zwei Drittel seiner Energie versorgt, wird auch in Zukunft nicht überwunden werden, da der Bedarf unerbittlich wächst - mit Folgen für den Rest der Erde. "Die schiere Grüße des Wachstums in China erfordert Energiequellen, die über die heute verfügbaren konventionellen Ressourcen hinausgehen", stellt die Organisation Climate Group fest. (Andreas Landwehr/dpa)