Außenministerin der USA stärkt Seoul den Rücken. | Analyst: China fürchtet Zusammenbruch Nordkoreas. | Seoul/Wien. Es war beiderseits ein breites Lächeln, mit dem sich US-Außenministerin Hillary Clinton und Südkoreas Präsident Lee Myung-bak begrüßten. Doch was die beiden in Seoul zu besprechen hatten, ließ die Mienen bald gefrieren. Denn im Mittelpunkt der Visite der US-Außenministerin stand der Konflikt mit Nordkorea.
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"Wir können nicht die Augen vor Kriegslust und Provokation schließen", sagte Clinton. Und sie forderte erneut eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf den Abschuss eines südkoreanischen Marineschiffes im Gelben Meer. Eine von Südkorea eingesetzte Expertenkommission hat kürzlich Nordkorea für den Angriff verantwortlich gemacht, Pjöngjang bestreitet dies.
Clinton betonte, dass es überwältigende Beweise für die Schuld Nordkoreas am Schiffsuntergang im März gebe. Wie nun eine internationale Antwort aussehen solle, sei Gegenstand von Beratungen der USA mit Südkorea und Mitgliedern des Weltsicherheitsrats.
Einem Land kommt dabei ein Schlüsselrolle zu, nämlich China. Peking gilt als Verbündeter Nordkoreas. Clinton versuchte zuletzt immer wieder, China zu überzeugen, Maßnahmen gegen Nordkorea mitzutragen. Doch die Volksrepublik gibt sich zurückhaltend. Sie hat Nordkorea nicht für den Untergang des südkoreanischen Schiffes verurteilt und sperrt sich generell immer wieder dagegen, auf internationalem Parkett gegen Nordkorea vorzugehen.
"China möchte den verbleibenden Einfluss, den es auf Nordkorea noch hat, nicht verlieren", sagt der Analyst Patrick Köllner vom deutschen Giga-Institut für Asienforschung gegenüber der "Wiener Zeitung". Denn am meisten fürchte China einen Zusammenbruch Nordkoreas. Dies könnte große Flüchtlingsströme aus dem Nachbarland zur Folge haben. Zudem sei dann nicht mehr gewährleistet, dass das nordkoreanische Nuklearmaterial von einer Zentralregierung kontrolliert wird.
Irrationales Verhalten
Der Umgang mit Nordkorea ist jedenfalls auf der internationalen Bühne ein ständiger Balanceakt. Weder Drohgebärden noch Gespräche konnten Pjöngjang in der Vergangenheit von seinen Nukleartests abhalten.
Und das Verhalten Nordkoreas scheint oft einer eigenen Logik zu folgen. So auch im aktuellen Konflikt: Nicht nur, dass Pjöngjang mit Krieg gedroht hat. Die kommunistische Führung verkündete zudem, dass sie sämtliche Verbindungen zu Seoul kappen würde. Und die südkoreanischen Mitarbeiter des gemeinsam in Nordkorea betriebenen Industriekomplexes Keasong müssten mit ihrer Ausweisung rechnen. Nordkoreas Agieren ist aus wirtschaftlicher Sicht irrational, ist das Land doch völlig verarmt und Kaesong einer der wenigen Devisenbringer.
Die Führung in Pjöngjang hat sich derart abgeschottet, dass über die Gründe ihres Verhaltens nur spekuliert werden kann. Als "fundierteste Spekulation" bezeichnet Köllner aber, dass es dem Regime nicht um wirtschaftliche Fragen, sondern vielmehr um den Machterhalt der Familiendynastie des Diktators Kim Jong-il gehe. Der Herrscher soll sehr krank sein, als sein Nachfolger steht wohl sein Sohn Kim Jong-un bereit. Nun versuche das Regime eine einigende Front hinter der Führung aufzubauen, der Süden diene dabei als starkes, gemeinsames Feindbild, sagt Köllner.
Die Frage ist aber auch, wie weit Nordkorea seine Drohungen tatsächlich wahr macht. Denn trotz der vorhergehenden Ankündigung ließ Pjöngjang die Südkoreaner am Mittwoch nach Kaesong.
Auch Südkorea hat seine Töne gegenüber dem Norden zuletzt gehörig verschärft. Präsident Lee hat gedroht, dass man auf zukünftige Provokationen Nordkoreas militärisch reagieren werde.
Gelassenheit in Seoul
Auch wenn sich die Rhetorik immer mehr hochschraubt, bleibt die Bevölkerung in Seoul gelassen. "Hier ist die Atmosphäre sehr entspannt, der Alltag geht seinen gewohnten Gang", berichtet Colin Dürkop, der für die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung in der Millionen-Metropole arbeitet. Die Leute sind anscheinend die ständigen Konfrontationen mit Nordkorea schon gewöhnt. Und auch die meisten südkoreanischen Kommentatoren gehen davon aus, dass es beim Säbelrasseln bleibt und nicht zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommt.