Zum Hauptinhalt springen

Chinas Ärger mit Nordkorea

Von WZ-Korrespondent Wu Gang

Politik

Bei aller Verstimmung will Peking aber keinen Regimewechsel in Nordkorea.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Peking/Pjöngjang. Ausgerechnet jetzt. Die Volksrepublik feiert das chinesische Neujahrsfest, das halbe Land ist auf Urlaub, Feuerwerke werden in den versmogten Himmel geballert - und dann macht der ungeliebte Verbündete Nordkorea richtig Krach. Für rund eine Minute zitterte dort die Erde - und die chinesischen Nachbarn in der Provinz Jilin wussten es als Erste: Nordkorea hat seine dritten Atomwaffentest durchgeführt.

Das Jahr der Schlange, dem Astrologen eigentlich einen friedlichen Charakter vorhersagten, beginnt also mit einem echten Knall. Und China lässt keinen Zweifel daran, dass dies nicht der Start ist, den es sich für seinen designierten Staatspräsidenten und KP-Vorsitzenden Xi Jinping gewünscht hätte: "Wir fordern die nordkoreanische Seite dringend auf, sich an seine Verpflichtung zur Denuklearisierung zu halten und keine weiteren Aktivitäten durchzuführen, die die Situation verschlimmern könnten", hieß es aus dem Außenministerium.

"Verrückter Hund" Kim Jong-un

Der nordkoreanische Botschafter wurde einbestellt, um die deutliche Unzufriedenheit über den Atomtest auszudrücken - im Großen und Ganzen hat das dennoch eine milde Reaktion, die in der Tradition von Xis Vorgänger Hu Jintao steht, der stets zu "weisen und maßvollen" Reaktionen aufrief, "um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen". Einige Kommentare von Meinungsmachern vor allem im Internet deuten jedoch darauf hin, dass China langsam die Geduld mit dem Verbündeten verliert. Yu Jianrong, ein Direktor an der Chinesischen Akademie der Sozialen Wissenschaften, sagte etwa der Pekinger Jugendzeitung: "Nur wer eine völlig unbedachte Außenpolitik verfolgt, kann es wagen, den Leuten eine Stinkbombe vor die Haustüre zu setzen, während sie auf Urlaub sind." Auf seinem Sina Weibo Blog fügte er hinzu: "Nordkorea schaufelt sich sein eigenes Grab." Viele User und Kommentatoren riefen zu stärkeren Reaktionen gegenüber dem Nachbarn auf, dessen Machthaber Kim Jong-un in den meisten Fällen nur noch als "verrückter Hund" tituliert wird.

Somit hat Peking knapp zwei Monate vor der offiziellen Amtsübergabe von Hu an Xi ein strategisches Problem. China und Nordkorea sind seit dem Ende des Koreanischen Krieges (1950-53) Verbündete. Wirtschaftlich ist der verarmte Nachbar von der Volksrepublik abhängig, so laufen 90 Prozent der nordkoreanischen Öleinfuhren über China. Umgekehrt ist Nordkorea für China ein nicht unbedeutender Rohstofflieferant, und das abgeschottete Land dient Pekings Militärs als strategische Pufferzone zwischen China und den übrigen ostasiatischen Staaten sowie den USA. Noch mehr als diese eher ideologische Komponente fürchtet die Führung in Peking jedoch die wirtschaftlichen Konsequenzen, die mit einem instabilen Regime in Pjöngjang einhergehen könnten.

Instabiles Nordkorea wäre Gift für Asiens Wirtschaft

Flüchtlingsströme und Unruhen hätten negative Auswirkungen auf die gesamtasiatische Wirtschaft, die nicht zuletzt durch die angespannten Beziehungen zwischen China und Japan mit genügend Unsicherheitsfaktoren zu kämpfen hat. Peking missbilligt daher Nordkoreas Bombenprogramm und erhöht den Druck in homöopathischen Dosen, hat jedoch gleichzeitig ein hohes Interesse an einem Regime-Erhalt. Das jüngste Beispiel: Nach dem Start einer Interkontinentalrakete im Dezember hatte sich die chinesische Regierung sogar UNO-Sanktionen gegen Kim angeschlossen - nachdem diese allerdings auf ihr Drängen stark abgeschwächt worden waren.

In der Zwischenzeit protestieren viele Chinesen weiter gegen den Nachbarn, wie etwa der prominente Dissident Hu Jia, der bei der nordkoreanischen Botschaft in Peking anrief und das Telefongespräch online stellte: "Ich möchte nur sagen, ich bin der chinesische Bürger Hu Jia, und ich möchte meine Ablehnung gegen Ihren Atomtest zum Ausdruck bringen." Antwort des Botschaftsmitarbeiters: "Sind Sie völlig verrückt geworden?"