Hersteller aus dem Reich der Mitte drängen immer mehr auf den Markt. Der Vorsprung des US-Konzerns schwindet.
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Während der Autobauer Tesla und sein Chef Elon Musk sich in immer mehr Problemen verheddern, marschieren die chinesischen Autobauer leise und zielstrebig in Teslas Königsdisziplin, dem elektrischen Auto, nach vorne. Die geplatzte Twitter-Übernahme, ein langes und teures juristisches Twitter-Nachspiel, Probleme mit der Giga-Factory in Shanghai wegen der strengen Pandemie-Politik in China und Lockdowns. Ein verpatzter Anlauf der neuen Giga-Factories in Grünheide und Austin Texas, Gerüchte, dass die neuen großen Batteriezellen 4680 nicht richtig angeliefert werden, Entlassungsprogramme für zunächst 10 Prozent der weltweiten Beschäftigten, die dann auf 3,5 Prozent nach einem Kurssturz der Tesla Aktien reduziert wurden. Kündigung der Mitarbeiter, wenn man Heimarbeit macht, fehlende Mitarbeiter im Werk Grünheide bei Berlin.
Nicht ein Problem, sondern Elon Musk würde es Giga-Problems nennen. Im zweiten Quartal hat Tesla weltweit mehr als 50.000 Fahrzeuge weniger gebaut und verkauft als im ersten Quartal, obwohl die beiden neuen Giga-Factories Grünheide und Austin Texas dazugekommen sind. In Tweets spricht Musk davon, dass die beiden Werke Geldverbrennungsöfen sind und Milliarden Dollar Verluste bescheren. Bis Anfang Juli brach der Kurs der Tesla-Aktie um mehr als vierzig Prozent gegenüber dem April-Kurs von 1160 US-Dollar ein.
Zusätzlich hat Tesla ein sehr unbalanciertes Produktportfolio. Im Prinzip bietet Tesla mit Model 3 und Model Y, das zu großen Teilen auf Model 3 basiert, eigentlich nur 1,5 Modelle. Die Oberklasse-Elektroautos Model S und Model X sind Ladenhüter und stellten gerade mal 5 Prozent aller weltweiten Verkäufe. In der Vergangenheit war das kein Problem. Bisher gab es kaum Wettbewerb. Mittlerweile haben die deutschen Autobauer auch Elektroautos. Aber noch wichtiger ist China. Die chinesischen Produzenten treiben Tesla an.
BYD verkauft mehr als Tesla
Vor ein paar Tagen hat der chinesische Autobauer BYD (Build Your Dreams) für das erste Halbjahr 640.000 Verkäufe von New Energy Vehicles, sprich Elektroautos, gemeldet. Zwar sind etwas weniger als die Hälfte der BYD-Verkäufe Plug-in-Hybrid-Modelle, aber die Entwicklung von BYD ist beeindruckend. Allein in den ersten fünf Monaten hat BYD insgesamt, also mit Verbrennern, seine Verkäufe um 160 Prozent gesteigert. Bereits im Jahr 2021 hatte BYD mit 740.000 Fahrzeugverkäufen eine Steigerung von 73 Prozent gegenüber dem Vorjahr erzielt.
Während der Tesla-Aktienkurs zwischen April und Juli kräftig absackte, haben BYD-Aktien ihren Kurs um mehr als 60 Prozent gesteigert. Und der Grund sind nicht nur die zusätzlichen Fahrzeug-Verkäufe. BYD ist hochinnovativ und profitiert von seiner langen Erfahrung auf dem Gebiet der Lithium-Ionen-Batterie. Als vor zehn Jahren BYD mit seinen Eisenphosphat-Batteriezellen, LFP abgekürzt, seine Autos ausgestattet hat, haben Experten die Nase gerümpft. Eine geringere Energiedichte gegenüber der Kobalt-Nickel-Kathode und Performance-Einbußen waren die Argumente der Ingenieure gegen LFP. Dabei hat die LFP-Zelle deutliche Kostenvorteile.
Deshalb setzt Tesla heute beim Model 3 die LFP-Zelle ein, ebenso wie andere Autobauer. Wenn man so will, hat BYD den Weg für "preisgünstigere" Batterien vorgezeichnet.
Vor etwa zwei Jahren stellte BYD seine Blade-Batterie vor. Die Blade-Batterie besteht aus großformatigen prismatischen Zellen, die deutlich höhere Energiedichten als die konventionellen Pouch oder Rundzellen erlauben. Tesla hat ebenfalls auf größere Zellformate mit seiner 4680 Zelle - eine Rundzelle - gesetzt, aber da scheint ein Wurm drin zu sein. Anfang Juni hat das chinesische Nachrichtenportal Gasgoo gemeldet, dass Tesla bei dem Unternehmen FinDreams Battery, einer Tochtergesellschaft von BYD, einen Auftrag für Blade-Batterien für 204.000 Fahrzeuge platziert hat. Ironisch formuliert könnte man sagen, BYD gewährt Tesla Entwicklungshilfe bei der wichtigsten Komponente im modernen Auto, der Batterie.
Batterie aus einem Guss?
BYD und die chinesische Autoindustrie haben aber noch weiter Innovationen in der Pipeline, darunter die sogenannte Cell-to-Chassis-Technik. Auch das stellte Elon Musk bei seinen Batterie-Days vor etwa zwei Jahren vor. Dazu nutzt Tesla eine große Gießmaschine, die das Heckteil aus einem Stück fertigt, in das dann Batterie-Packs fest eingebaut, quasi eingeschweißt, werden. Die Batterie wird zum tragenden Element der Karosserie und ersetzt somit zusätzlichen Stahl. Mit diesem Trick lässt sich beim E-Auto deutlich Gewicht einsparen. Gewichtsreduzierung ist wegen der schweren Batterie eine strategische Variable.
BYD, aber auch die anderen Hersteller wie NIO, XPeng oder Lynk & Co produzieren international auf einem hohen Niveau. Das neue Modell SEAL von BYD ist in seinem Design, seinem Auftritt und Leistungsdaten ähnlich innovativ wie das Tesla Model 3. Und es soll preisgünstiger werden. Das Wachstum von BYD ist damit alles andere als eine Eintagsfliege. Die Zeit, in der man China-Autos "Reisschüsseln" geschimpft hat, ist schon lange vorbei. China liefert High-Tech, und das auch im Software-Bereich.
Vor ein paar Tagen wurde gemeldet, dass BYD in den chinesischen Chip-Hersteller TYSiC in der Stadt Dongguan investiert. Teilautonomes Fahren und autonomes Fahren sind ebenso wie die Infotainment-Funktionen und das digitale Cockpit hoch im Kurs bei chinesischen Autokäufern und Autobauern.
China drängt in den weltweiten Automarkt und wird in der Zukunft mit Elektroautos und Car-Software wichtige Innovationen in den Markt bringen. Bei Robotaxen ist China weltweit führend. BYD zeigt die große Dynamik der Chinesen. Mit dem weltgrößten Batteriehersteller CATL sowie BYD, CALB, sVOLT, Farasis Energy oder Gotion sitzt das Herz des Autos von morgen in China.
Mit Chip-Herstellern wie Horizon Robotics und Tech-Schwergewichten wie Huawei, Baidu oder Tencent sitzt auch das Gehirn des Autos von morgen in China. Noch sind die Verkäufe der chinesischen Autos in Europa und den USA überschaubar. Aber das Bild ändert sich langsam. Die staatlichen Autobauer SAIC und FAW, junge Firmen wie XPeng, Nio oder Li-Auto und die privatwirtschaftlich, etablierten wie Geely und Great Wall zeigen die Stärke der chinesischen Autobauer. Wir kommen in die Phase, in der die Teslas von China lernen.
Zum Autor
Ferdinand Dudenhöffer war Professor für Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an mehreren Universitäten. Seit Mai 2020 ist er Direktor des privatwirtschaftlichen CAR-Center Automotive Research in Duisburg.