Mit exemplarischen Strafurteilen gegen Profiteure des "Kader-Kapitalismus" will Xi Jinping die Korruption und die maßlose Bereicherung ausrotten.
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Chinas neuer Staats- und Parteichef Xi Jinping versprach bei seinem Amtsantritt, er werde die Korruption ausmerzen, weil sie den Bestand von Staat und Partei gefährde. Nun hat er angekündigt, nicht nur korrupte "Fliegen, sondern Tiger" zu jagen. Einige Tiger hat er schon erlegt:
Bo Xilai, Ex-Mitglied der Parteiführung und Ex-Chef der 30-Millionenstadt Chongqing, bekam wegen Machtmissbrauchs, Ausspähens der Parteiführung und Korruption wie Annahme von 2,4 Millionen Euro Schmiergeld lebenslange Haft und verlor sein Vermögen von annähernd 150 Millionen Euro.
Wang Lijun, Ex-Polizeichef von Chongqing, büßt für Korruption, Machtmissbrauch und Rechtsbeugung mit 15 Jahren hinter Gittern.
Ex-Eisenbahnminister Liu Zhijun fasste wegen Annahme von 8 Millionen Euro Schmiergeld die Todesstrafe "auf Bewährung" - also lebenslange Haft - aus.
Als Nächster kommt Zhou Yongkang, Ex-Mitglied der Parteiführung, Ex-Minister für Polizei und Justizapparat sowie Chef der Erdölwirtschaft, wegen Korruption und Machtmissbrauchs vor Gericht.
Eine Ursache dieser Tigerjagd ist die 1978 vom großen Reformer Deng Xiaoping eingeführte "sozialistische Marktwirtschaft". Dengs Motto zur Modernisierung der Planwirtschaft und Öffnung des Marktes für Auslandskapital: "Rote Katze oder schwarze Katze, Hauptsache sie fängt Mäuse." Das ergab jedoch zunehmende Verflechtungen zwischen KP-Funktionären und Wirtschaft mit dem Ergebnis maßloser Korruption und Bereicherung. Von den 3000 reichsten Chinesen zählen 90 Prozent zur Parteielite. Sie setzten Verwandte an die Hebel etwa von Bauwirtschaft und Außenhandel. Diese Mischung heißt jetzt "Kader-Kapitalismus".
Seit 2004 schützt die Verfassung "legal" erworbenes Privateigentum. Was legal ist, bestimmt die KP. Ihr obliegt laut Verfassung "die Führung Chinas". Folglich geht das Recht nicht vom Volk, sondern von der Parteiführung aus.
Vor diesem Hintergrund spielt sich eine ideologische Machtprobe ab. Bo Xilai und prominente Kader in den kleinen Machtzentren der Provinz wollen die Wirtschaft unter strenger Parteikontrolle halten. Die Zentrale in Peking will aber durch den Schutz des "legalen" Privateigentums dem Auslandskapital Rechtssicherheit geben. Die Linke um Bo wittert aber dahinter die Gefährdung des Machtmonopols der Partei und natürlich auch ihres Geschäfts.
In China häufen sich Massendemonstrationen gegen den korrupten "Kader-Kapitalismus", der krass das miserable Leben auf dem Land und der Wanderarbeiter in den Metropolen kontrastiert. Und er widerspricht dem Verfassungsprinzip der "demokratischen Diktatur des Volkes".
Die "sozialistische Marktwirtschaft" stellt China vor ein ernstes Problem: Konkurrenz auf dem Markt soll den Wirtschaftsaufstieg in die Weltliga vorantreiben. Freie Konkurrenz der Ideen auf dem Meinungsmarkt triebe zwar die Gesellschaftsentwicklung an, bräche aber das Macht- und Meinungsmonopol einer dogmatisierten Partei. Wie lässt sich die "demokratische Diktatur des Volkes" begründen, wenn dieses ein riesiger Polizeiapparat in Schach hält?