)
Die EU wird sich folglich entscheiden müssen, ob sie in Zukunft eine engere Anbindung an Ostasien fördern oder eher blockieren möchte.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Zeit steht nicht still. Während Europa Russland die kalte Schulter zeigt und auf Geheiß der USA seine prekäre Wirtschaftslage durch Sanktionen weiter gefährdet, denkt man im Osten an neue Gewinne.
Vor rund einem Monat konkretisierte die Chinesische Entwicklungsbank erstmals die Pläne der Regierung, einen der bedeutendsten Handelskorridore der Geschichte wiederzubeleben: Rund 800 Milliarden Euro will China in die alte Seidenstraße investieren, um unter der Devise "Ein Gürtel - eine Straße" zur regionalen Wirtschaftsmacht zwischen Pazifik und Mittelmeer aufzusteigen.
Dieses Projekt stößt vor allem in Washington nicht unbedingt auf großes Wohlwollen. Die Europäische Union wird sich folglich entscheiden müssen, ob sie in Zukunft eine engere Anbindung an Ostasien fördern oder eher blockieren möchte.
Vom 2. Jahrhundert vor Christus bis ins 16. Jahrhundert war in Eurasien ein weitverzweigtes Netz aus Handelsrouten entstanden, an denen nicht nur kostbare Produkte wie Seide, Porzellan und Bronze etappenweise hin und her befördert wurden. Der Warenverkehr verband auch Kulturen, die neue Ideen mitbrachten, welche sich auf Kunst, Philosophie und Religion auswirkten. Zwischen Peking und Venedig reisten Güter und Menschen über Afghanistan, die zentralasiatischen Oasenstädte Bischkek und Samarkand, durch Persien an die fruchtbaren Ausläufer des Libanon bis ans Mittelmeer sowie über den Kaukasus ans Schwarze Meer.
In der Neuzeit verblassten dann die Spuren im Sand, denn längst schon hatten die Europäer begonnen, Seewege zu nutzen und Gebiete in Übersee zu beanspruchen.
Obwohl China heute immer stärker seine Präsenz im Indischen und im Pazifischen Ozean ausbaut und sich auf Konfrontationskurs mit vielen US-freundlichen Inselstaaten begibt, besteht eine starke Abhängigkeit vom Westen auf hoher See. Die Straße von Malakka, die Route um das indische Kap Komorin und der Weg durch das "Tor der Tränen" im Süden der Arabischen Halbinsel werden von Piraten heimgesucht, und so stellt jede Fracht ein Risiko dar.
Die ersten Grundsteine für einen innerasiatischen Handel hat die chinesische Regierung schon gelegt, wenn sie die Beziehungen zu Russland intensiviert, um sich die notwendigen Rohstoffe zu sichern. Ebenso erhofft sich China, im erdölreichen Sudan und Angola einen Absatzmarkt zu schaffen.
Wie zu Kolonialzeiten tobt in Afrika ein neuer Kampf um Ressourcen. Die ökonomischen Verbindungen zwischen Syrien und China waren durchaus positiv, bis die Arabische Revolution den Staat ins Chaos stürzte.
Ein instabiler Naher Osten ist aus geopolitischer Sicht für die USA von zweierlei Nutzen: Einerseits erschweren die "Failed States" entlang der Seidenstraße das chinesische Investitionsvorhaben; andererseits legitimieren Krisengebiete die Präsenz von US-Streitkräften. China scheint diesen Entwicklungen allerdings trotzen zu wollen.
Es gibt ein altes chinesisches Sprichwort, auf das sich einst sogar der Reformer Deng Xiaoping berief: "Sprich weniger, handle mehr." Vielleicht sollte man dieses Sprichwort auch in Europa beherzigen.