Handelskonflikt hin, Coronavirus her - im Jahr der Ratte stehen die Zeichen für die Wirtschaft günstig. China hat sich zu einer modernen Dienstleistungs- und Konsumgesellschaft gewandelt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es ist das wohl wichtigste Ereignis im traditionellen chinesischen Kalender: das Neujahrsfest. Chinesen in aller Welt verabschiedeten sich vor kurzem vom Jahr des Erd-Schweins und begrüßten mit viel Lärm, farbenfrohen Feiern, Tänzen und Paraden das Jahr der Metall-Ratte. Der Brauch, das neue Jahr mit mehrtägigen Feierlichkeiten (die Neujahrsferien wurden heuer wegen des Coronavirus verlängert) willkommen zu heißen, soll Glück und Wohlstand sicherstellen. Die Freude dürfte freilich diesmal aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus deutlich gedämpfter ausgefallen sein, denn zahlreiche Neujahrsfeiern wurden abgesagt.
Aber unabhängig davon waren die Götter der Volksrepublik China zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht in den vergangenen Jahren gnädig gestimmt. Wenn auch in der Vergangenheit außenpolitische Differenzen zu handelspolitischen Auseinandersetzungen und folglich auch zu Turbulenzen an den Finanzmärkten führten, so ist die enorme wirtschaftliche Entwicklung Chinas längst nicht mehr zu leugnen. Auch für das Jahr der Ratte stehen die wirtschaftlichen Vorzeichen günstig.
Am 15. Jänner haben die USA und China, nach Monaten des Schlagabtausches, ihren im Dezember 2019 vereinbarten "Phase-1-Deal" im Handelskonflikt unterzeichnet. Zudem beginnt nach dem chinesischen Horoskop, das aus zwölf Tierkreiszeichen besteht, mit dem Jahr der Ratte ein neuer Zwölf-Jahres-Zyklus. 2020 steht für Chinesen daher für einen Neubeginn und ein ganz besonders gewinnbringendes, starkes und erfolgversprechendes Jahr. Die Ratte genießt zwar in westlichen Ländern ein wenig schmeichelhaftes Image, doch in China steht sie für Fleiß, Klugheit, Energie, Entschlossenheit und Zielerreichung.
Starkes Wachstum sollte Investoren nicht blenden
Während der Handelskonflikt mit den USA gezeigt hat, dass sich China zu einer modernen Dienstleistungs- und Konsumgesellschaft gewandelt hat, ist das Wachstumsmodell des Landes nachhaltiger geworden. Zudem geht die Öffnung der Börsen von Shenzhen und Shanghai in schnellen Schritten voran. Das Potenzial des Finanzplatzes China ist für Anleger enorm. Doch auch wenn die rasante wirtschaftliche Entwicklung des Landes attraktiv erscheint, sollte man sich als Bottom-up-Investor vom starken Wachstum und den verbesserten Rahmenbedingungen nicht blenden lassen.
Ausdauer, Geduld und eine vernünftige Governance sind in China besonders wichtig. Denn gerade nach dem hervorragenden Börsenjahr 2019 wäre es fahrlässig, in den breiten Markt zu investieren. Stattdessen ist eine starke Selektion im Jahr der Ratte mehr denn je gefragt, um ein möglichst günstiges Rendite-Risiko-Profil zu erzielen.
Obwohl mit dem nun unterzeichneten "Phase-1-Deal" der Konflikt zwischen den USA und China zunächst entschärft werden konnte und den globalen Aktienmärkten zuletzt neuen Schwung verliehen hat, ist der Handelskonflikt noch längst nicht durchgestanden. Denn solange China weiterwächst und seine internationale Bedeutung auf wirtschaftlicher und politischer Ebene zunimmt, bleibt das Land aus Sicht der USA eine ernstzunehmende Bedrohung der eigenen Hegemonie. Folglich ist bereits jetzt abzusehen, dass in den kommenden 10 bis 15 Jahren jede US-Regierung Chinas politische und wirtschaftliche Entwicklung ganz genau unter die Lupe nehmen wird. Von daher ist damit zu rechnen, dass China in Zukunft faire Handelspraktiken und freie Marktzugänge gewähren muss.
Was den chinesischen Binnenmarkt betrifft, so ist der Wandel der Wirtschaft vom kredit- und infrastrukturgetriebenen hin zum innovations-, dienstleistungs- und konsumorientierten Wachstum größtenteils vollzogen. Die Realeinkommen wachsen parallel zur größer werdenden Mittelklasse, und auch der wirtschaftliche Stimulus der vergangenen Jahre ist dem Kampf der Regierung gegen die zu hohe Verschuldung gewichen. Zudem tragen die Reformen der rigiden Haushaltsregistrierungen sowie des Gesundheitsmarktes zu einem qualitativ besseren, wenn auch absolut gesehen niedrigeren Wachstum bei.
Trotz der sich in den vergangenen Jahren positiv veränderten Rahmenbedingungen bleibt das Reich der Mitte ein anspruchsvolles Pflaster, was die gezielte Auswahl einzelner Wachstumswerte betrifft. Zwar ist das Wachstum vielerorts attraktiv, jedoch ist die Qualität auf Unternehmensebene trotz der stark abnehmenden Bedeutung von Staatsunternehmen immer noch rar, zumal der Umgang mit Environmental-, Social- und Governance-Fragen, kurz ESG, noch mehrheitlich in den Kinderschuhen steckt.
Chinas Aktienmarkt istfest in chinesischer Hand
Doch auch hier zeichnet sich eine positive Entwicklung ab, da immer mehr Unternehmen nach internationalen Standards bilanzieren und chinesische Behörden hier Druck ausüben. Das Vertrauen in den chinesischen Finanzplatz dürfte sich weiter verbessern und seine Attraktivität erhöhen. Internationale Investoren, die noch nicht in China investiert sind, tun also gut daran, ihre Vorbereitungen zu treffen. Während etwa in unserem Nachbarland Deutschland nur noch knapp 30 Prozent der 30 größten börsennotierten Unternehmen des Landes von deutschen Anlegern gehalten werden, sind gerade einmal 7 Prozent des chinesischen Aktienmarktes in ausländischer Hand.
Ein Paradebeispiel für das Zusammenspiel von Reformdruck und Verbesserungen der Governance zugunsten von Minderheitsaktionären ist Shandong Weigao. Das Unternehmen ist seit langer Zeit im Markt für medizintechnische Verbrauchsartikel wie Einmalspritzen einer der größten Profiteure des dynamisch wachsenden Gesundheitsmarktes. Lange entwickelte sich das Wachstum unterdurchschnittlich, während Aktienbeteiligungen nur dem Top-Management vorbehalten und nicht handelbar waren.
Doch durch die Reformen des chinesischen Kapitalmarkts änderte sich das. Über Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sowie als M&A-Währung (Mergers & Acquisitions) wurden die Aktien zu einem wichtigen Instrument der langfristigen Unternehmenssteuerung sowie zu einem Katalysator für Wachstumsbeschleunigung und Dividendensteigerungen des Unternehmens. Der Gewinn pro Aktie und der Aktienkurs des Unternehmens haben sich in der Folge über die vergangenen drei Jahre verdoppelt.
Langfristig ist der chinesische Aktienmarkt als durchweg positiv zu bewerten. Doch auch wenn die Aussichten des künftigen Wachstums der chinesischen Volkswirtschaft für viele Investoren verlockend klingen, gilt es Augenmaß zu bewahren und im Jahr der Ratte nicht einfach den steigenden Kursen hinterherzurennen. Ebenso wenig sollte man sich aber auch von tragischen Ereignissen wie dem Ausbruch des Coronavirus beeinflussen lassen.
Wir konzentrieren unsere Aufmerksamkeit auf solche Unternehmen, die so wenig wie möglich von makroökonomischen Faktoren beeinflusst werden und sich dank Innovationen, stabiler Endmärkte und einer starken operativen Umsetzung den politischen und konjunkturellen Zyklen entziehen können. Wir halten nach Geschäftsmodellen Ausschau, die nicht so schnell aus der Spur kommen oder gar entgleisen, beispielsweise aufgrund eines Virus.
Wir investieren in Dinge, die sich nicht über Nacht ändern, anstatt kurzfristige Wetten mit hoher Fehlerwahrscheinlichkeit einzugehen. Langfristig in Qualität zu investieren und auch einmal Geduld zu beweisen, um ein optimales Risiko-Rendite-Profil zu erreichen, könnte sich auszahlen.