Eurokrise und sinkende Investitionen bremsen Entwicklungsboom.
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Singapur. 7,2 Prozent Wirtschaftswachstum für Asien im heurigen Jahr - so lautet die Prognose der Weltbank. In einem am Montag veröffentlichten Bericht schraubt die Institution ihre Vorhersagen für die Region auf den niedrigsten Wert seit zehn Jahren. Schuld sind vor allem die schwächere Auslandsnachfrage und die weiche Landung der Binnennachfrage in China. Langsam aber sicher schwappt die Eurokrise auf die Entwicklung des bevölkerungsreichsten Kontinents über.
Allem voran durch das rapide Wachstum Chinas konnte der asiatisch-pazifische Raum in den vergangenen zwei Jahrzehnten massive Anteile an der Weltwirtschaft gewinnen: Bei fast 18 Prozent steht die Region heute, das ist eine Verdreifachung innerhalb von zwanzig Jahren. "Das unterstreicht die entscheidende Bedeutung eines steigenden Wachstums dieser Region für den Rest der Welt", sagt Jim Yong Kim, der Präsident der Weltbankgruppe.
Noch im Mai hat die Weltbank mit einer Wachstumsrate von 7,6 Prozent für Asien gerechnet. Denselben Wert schlägt man nun für 2013 an - hier wurde gleichfalls um 0,4 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Dabei stellt der neue Bericht voran, dass die Prognose nur unter Einhaltung zweier Bedingungen Geltung hat: einerseits, dass die Europäer ihre Eurokrise unter Kontrolle bekommen, und andererseits, dass die Entscheidungsträger in den USA zusehen, dass sie den "Fiscal Cliff" - also die drohenden Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen zu Beginn des kommenden Jahres - in Angriff nehmen, damit nicht beide zur selben Zeit wirksam werden. Ein Scheitern auch nur einer dieser Bedingungen würde die Wachstumsaussichten, so liest man, "viel schlechter" stellen und Asien weitere zwei Wachstumspunkte kosten.
Alle Blicke auf Peking
Nicht nur innerhalb Asiens richten sich die Blicke vor allem auf China. Das Wachstum verlangsamt sich hier bereits sechs Quartale hintereinander. Die Weltbank hat die Prognose für die größte Wirtschaft der Region nun um 0,5 auf 7,7 Prozent gesenkt. Wenn auch eine "noch ausgeprägtere Verlangsamung" droht - von einer "harten Landung" Chinas ist im Bericht keine Rede. Die Abwärtsbewegung wurde teils von Anstrengungen der chinesischen Führung verursacht, die Inflation im Zaum zu halten und etwas Luft aus der landesweiten Immobilienblase zu lassen.
Die 9,3 Prozent BIP-Wachstum von 2011 wird man aber vor allem aufgrund schwacher Exporte in die Schlüsselmärkte Europa und USA sowie sinkender Investitionen länger nicht mehr erreichen. In Investitionszurückhaltung übte sich vor allem die EU, Chinas größter Handelspartner. Das Engagement sank zwischen Jänner und August um satte 4,1 Prozent.
Unklar ist noch, welche Auswirkungen der anstehende Machtwechsel in China haben wird. Zuletzt hat die chinesische Zentralbank vor drei Monaten die Zinsen gesenkt. Große Investitionsprojekte - wie zuletzt Anfang September Maßnahmen zur Infrastrukturverbesserung für mehr als 158 Millionen US-Dollar - wurden zwar angekündigt, konkrete Schritte jedoch noch nicht umgesetzt. Der Kommunistische Parteitag, bei dem ein einmal in zehn Jahren stattfindender Wechsel der politischen Führung eingeleitet wird, ist für den 8. November angesetzt. Viele Analysten erwarten zunehmende und vor allem entschiedenere Schritte zur Stützung der Wirtschaft, sobald die politischen Fronten geklärt sind. Dies ist nicht zuletzt auch für die gesellschaftliche Stabilität des Landes von Bedeutung.
Da waren noch die anderen
Die übrigen Länder des asiatisch-pazifischen Raumes - abgesehen von Japan, Hongkong, Singapur, Südkorea und Taiwan, die traditionellerweise von der Weltbank nicht beobachtet werden - sind mit China wirtschaftlich eng verflochten und teilen somit die Wachstumsverlangsamung in vielen Bereichen.
Der Ausblick für Indien ist laut IWF-Prognose "unüblich ungewiss". Nach einem schwachen ersten Halbjahr wird ein Wachstum von 5 Prozent prognostiziert mit einer Steigerung auf 6 Prozent im Jahr 2013, wenn die kürzlich angekündigten Wirtschaftsreformen greifen. In anderen Teilen Asiens wiederum wurde die Wirtschaftsaktivität durch Folgen von Naturkatastrophen angekurbelt, so etwa nach den Überschwemmungen in Thailand oder Australien. In Australien trugen darüber hinaus der weiterhin starke Bergbausektor und zugehörige Investitionen zum Wachstum bei.
Ungeachtet der engen Verbundenheit mit China spricht für die Lage der ostasiatischen Entwicklungs- und Schwellenländer, dass sie genug Zinsspielraum besitzen, um die Wirtschaft anfeuern zu können. Auch die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis laufen derzeit nicht aus dem Ruder, im Gegenteil: Sie sinken aktuell. Dank der fortschreitenden Entwicklung nimmt der Anteil der extrem Armen, die mit weniger als zwei Dollar täglich ihr Auskommen finden müssen, weiter ab: Waren es 2010 noch fast 29 Prozent der Ostasiaten in den Entwicklungs- und Schwellenländern, dürfte der Anteil nächstes Jahr auf 24,5 Prozent sinken.