)
Nach goldenen Jahren brechen Exporte undWachstum ein. | Reformen am Arbeitsmarkt und im Klimaschutz schadenund nützen zugleich. | Peking/Wien. Inmitten der weltweiten Wirtschaftskrise sucht Chinas kommunistische Regierung Halt und Hoffnung in der eigenen Geschichte. Vor drei Jahrzehnten hat sich das Reich der Mitte ersten marktwirtschaftlichen Reformen geöffnet. Den Grundstein legte die Kommunistische Partei am 18. Dezember 1978 bei einem Treffen in der Großen Halle des Volkes in Peking.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Genau am selben Ort pries Präsident Hu Jintao jetzt das rasante Gedeihen des Landes. Gleichzeitig mahnte er: "China muss sich auf weitere Entwicklungsschritte konzentrieren. Stillstand und Rückschritt enden in der Sackgasse."
Nach Jahren zweistelliger Wachstumsraten wird für 2009 in der weltweit viertgrößten Volkswirtschaft nur ein BIP-Anstieg von 7,5 Prozent erwartet - der niedrigste seit 1999. Diese Höhe ist für ein Schwellenland vergleichbar mit einer Rezession für eine Industrienation: Es reicht nicht, um genug Arbeitsplätze für die mehr als 100 Millionen Wanderarbeiter und Millionen nachwachsenden jungen Arbeitskräfte zu schaffen.
Lag das durchschnittliche Exportwachstum in China in den vergangenen fünf Jahren bei 28,5 Prozent, so werden heuer drastische Einbrüche befürchtet. Weil Amerika und Europa im Zuge der Finanzkrise ihren Konsum zurückschrauben, bleibt das Schwellenland auf Textilien, Spielzeug und Industriegütern sitzen.
Viele Firmen im Süden, die zwei Drittel ihrer Produktion ins Ausland lieferten, haben teilweise in Nacht- und Nebelaktionen ihre Fabrikspforten für immer geschlossen. Besonders getroffen hat dies vor allem die Wanderarbeiter, die aus den Wirtschaftsmetropolen zurück in ihre Dörfer im Westen kehrten.
Die Kluft zwischen Arm und Reich könnte sich angesichts der Wirtschaftskrise zusätzlich ausweiten. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt derzeit bei rund 19.000 Yuan (1970 Euro). Mehr als 100 Millionen von 1,3 Milliarden Chinesen müssen jedoch nach Schätzungen der Weltbank mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen.
Die Regierung versucht nun über ein Konjunkturprogramm in Höhe von vier Billionen Yuan (umgerechnet 455 Milliarden Euro) den Konsum im Inland anzukurbeln. Das Geld soll bis 2010 in den Ausbau der Infrastruktur und in Sozialprojekte gepumpt werden.
Problem: Fälschungen
Die langjährige China-Handelsdelegierte der Wirtschaftskammer Österreich, Birgit Murr, glaubt, dass die derzeitige Situation zu einem Umdenken im Land führt. Durch die zusätzlichen Investitionen in Straßen und Infrastruktur wandere der wirtschaftliche Fortschritt ein Stück weiter in den ärmeren Westen, wo derzeit vor allem die Bauern zu Hause sind.
"Bisher lebten viele chinesische Firmen von der Hand in den Mund und haben exzessiv Überkapazitäten geschaffen", erzählt Murr. Viel mehr als früher seien die Unternehmer jetzt gezwungen, eine vernünftige Kostenrechnung zu machen. Verbesserungsbedarf sieht die China-Expertin auch bei der Produktqualität: "Die Zahl unseriöser Betriebe, die Fälschungen oder Ware mit niedriger Qualität herstellen, nahm stark zu." Häufige Rückholaktionen von chinesischem Spielzeug sprechen Bände.
Jüngsten Schätzungen zufolge hat der asiatische Schwellenstaat inzwischen die USA als weltgrößten Emittenten von Treibhausgasen abgelöst. Mittels Reformen versprach Chinas Regierung bis 2010 den Energieverbrauch im eigenen Land um 20 Prozent und den Ausstoß der schädlichsten Treibhausgase um bis zu zehn Prozent gegenüber 2005 zu senken.
"Es sind Reformen die nützen und schaden zugleich", meint Murr. Nicht alle Unternehmen, vor allem aus der Gerberei- und Stahlbranche, könnten die strengeren Umweltvorschriften erfüllen und müssten zusperren. Und auch Arbeitsmarktreformen (Abfertigungsregeln und ein ausgebauter Kündigungsschutz) seien für Kleinbetriebe existenzbedrohend.
Allzu pessimistisch fällt Murrs Ausblick aber dennoch nicht aus: "Konjunkturspritzen in China rennen schneller an als etwa in Österreich, da es viel weniger Auflagen gibt." Zudem werde die Weltausstellung 2010 in Shanghai frische Wirtschaftsimpulse liefern.