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Chinesen fallen durch "Biss" auf

Von Heike Hausensteiner

Reflexionen
Österreichs Außenwirtschaftsdelegierter für Süd-China, Christian Schierer, hebt bei Hongkong vor allem die Rechtssicherheit hervor. Foto: WKO/AWO

Unternehmen aus Österreich mit rund 600 Niederlassungen im Reich der Mitte. | 30 Prozent der Exporte laufen über das Perlflussdelta bei Hongkong. | "Wiener Zeitung": 90 Prozent des Kinderspielzeugs kommen aus China. Die Volksrepublik kauft weltweit Bodenschätze auf. Shanghai ist eine boomende Stadt und Hongkong seit 1997 wieder Teil der Volksrepublik. Wie entwickeln sich die Beziehungen mit Süd-China? | Christian Schierer: Wir haben es bei Hongkong und Shanghai mit zwei Wirtschaftssystemen in einem Land zu tun. Shanghai ist Chinas Finanzzentrum nach innen, Hongkong ist das Fenster nach außen und der Regionalhub für Gesamtasien.


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Es läuft ein falsches Geplänkel zwischen den beiden. Und die Zentralregierung nützt das aus, um einen gesunden Wettbewerb zu erzeugen. Das ist so, wie wenn ich sagen würde, ich gehe entweder nach Finnland oder nach Spanien. Beide sind völlig unterschiedlich.

Wie rege ist Österreichs Geschäftstätigkeit?

Im Moment sind 350 österreichische Firmen mit 600 Niederlassungen in China tätig. Davon haben sich 150 Unternehmen alleine in Hongkong niedergelassen. Man muss sich vorstellen, dass knapp 30 Prozent der Exporte Chinas über das Perlflussdelta rund um Hongkong gehen. Aus Österreich haben wir pro Tag 50 bis 60 Anfragen.

Brachte die Expo in Shanghai zusätzliche Impulse?

Im letzten Jahr hatten wir einen Zuwachs an Exporten von mehr als 40 Prozent nach China und von 25 Prozent nach Hongkong.

Sie sind auch für Macao zu ständig. Wie ist die ehemalige portugiesische Kolonie einzuschätzen?

Macao hat sich als Sonderverwaltungszone von China (seit 1999, Anm.) ganz still emanzipiert und gilt als der bravere Schüler als Hongkong. Die Wirtschaftsbeziehungen zur Lusophonie, also zu den portugiesischsprachigen Ländern, laufen über Macao. Derzeit baut die Zentralregierung von Hongkong nach Macao die längste Meerbrücke der Welt mit mehr als 50 Kilometern. In Hongkong lässt Peking auch Demonstrationen zu, um es als positives Vorbild für Taiwan zu positionieren.

Inwieweit ist Macao für österreichische Unternehmen von Interesse?

Wir sind natürlich im Glücksspielsektor vertreten. Und 2009 hat Wabag (Tochter der VA Tech, Anm.) die Führung der Wasseraufbereitungsanlage in Macao übernommen.

Sie raten österreichischen Unternehmern, bei Verhandlungen in China politische Themen auszusparen. Kann man die Menschenrechte der Arbeitnehmer, die dann für einen produzieren, wirklich ausblenden?

Will man Geschäfte machen, so haben politische Themen bei Verhandlungen nichts verloren. Das ist in Österreich ebenso. Es geht hier ums Big Business. Hongkong-Chinesen sind unheimlich schnell-denkend und wollen keine Zeit mit diesen Dingen verlieren.

Aber was sind Verträge mit China wert? Man hört immer wieder von Fällen, bei denen westliche Firmen übers Ohr gehauen oder Patente verletzt wurden.

Die Chinesen haben ein Produkt erst anerkannt, wenn sie es selbst kopiert haben. Dabei sind sie extrem pragmatisch und sagen: "Das gefällt mir, das mache ich auch". Natürlich kann es vorkommen, dass man sich in China die Nase blutig läuft. Da will ich gar kein rosa Bild malen. Deshalb empfehlen wir den Unternehmern, über Hongkong zu gehen. Hier gibt es Rechtssicherheit, und der gewerbliche Rechtsschutz ist wirklich durchgesetzt und anerkannt. Aber wer über die Internet-Plattform Alibaba.com einen ungeprüften Geschäftspartner in China sucht, ist selbst schuld. Das ist die Gier in Westeuropa.

Sehen Sie nur in Europa Gier? Herrscht nicht auch in China Gier?

Das Land hat Nachholbedarf, und die Leute haben einen unglaublichen Biss. Dass Doppelmayr in China Opfer von Produktpiraterie und die Lifte kopiert wurden, ist passiert.

In den "Dos & Donts" rät das AußenwirtschaftsCentre Unternehmern zu kleinen Geschenken an chinesische Geschäftspartner. Aber abseits von Mozartkugeln - welche Rolle spielt Korruption?

Österreichische Unternehmen sind sicherlich nicht so groß wie Firmen aus anderen Ländern, ohne dass ich anderen etwas unterstellen möchte.

Zwecks sogenanntem Mindforming spielt Prostitution oft ebenfalls eine Rolle bei Geschäftsanbahnungen.

Das ist in China ein Thema, keine Frage, das wird angeboten. Es obliegt jedem Mann, hier selbst zu entscheiden. Man muss auch bedenken, dass die Prostitution mafiös durchwandert ist. Wir raten sehr davon ab, diesen Verführungen zu erliegen.

In der Unternehmenshierarchie Chinas sind Frauen und Männer aber gleichgestellt.

Das kommt aus der kommunistischen Tradition, und in den Firmen wechseln die Positionen nur selten. Die Titane halten sich über 50, 60 Jahre.

Das AußenwirtschaftsCentre Hongkong ist heuer 50 Jahre alt. Christian Schierer ist dort seit August 2008 österreichischer Handelsdelegierter, zuständig für die Regionen Süd-China und Macao. Dazu gehört auch ein Zweigbüro der Außenwirtschaft Österreich (AWO) in Guangzhou. Davor baute der WU-Absolvent den Bereich Corporate Communication der AWO auf.