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Chinesische Bilderbuchkarriere

Von Alexander Dworzak und Konstanze Walther

Wirtschaft

Der Mischkonzern HNA: Von der Provinzfluglinie zum größten Einzelaktionär der Deutschen Bank.


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Chen Feng (u.) ist ein Manager mit besten Beziehungen zur Kommunistischen Partei. Eine Auswahl seiner Beteiligungen: HiltonHotels, Hainan Airlines, Deutsche Bank. Vielleicht kommt bald das Forbes-Magazin dazu.

Peking. Chen Feng hat verschiedene Titel und Abschlüsse aus aller Welt. Er hat einen Master of Business Administration aus dem europäischen Maastricht und ein Senior Management Diplom von der US-amerikanischen Harvard Business School.

Aber besonders stolz dürfte er auf die Vielzahl von Würden sein, die ihm daheim verliehen worden sind: "China Business Leader", "Asia Business Leader" und blumige Titel wie "herausragender Erbauer des Sozialismus mit chinesischen Charakteristiken".

Selbstverständlich ist Chen, dessen Biografie auch unter die Auszeichnung "Top 10 der verdienstvollen Unternehmer der Hainan Provinz" umfasst, in eben jener Provinz ins ständige Komitee des Volkskongresses gewählt worden und war Repräsentant der Provinz bei dem 16., dem 17., und dem 2012 über die Bühne gegangenen 18. Nationalen Kongress der Chinesischen Volkspartei.

Exemplarischer Aufstieg

Kurzum: Chens Lebenslauf ist das Paradebeispiel für eine Karriere in der sozialistischen Marktwirtschaft, die China anstrebt - die Spielregeln des Westens verstehen, aber auch die Traditionen, sprich die Kommunistische Einheitspartei, respektieren.

In den späten 70er Jahren wurde in China das Konzept der Martktwirtschaft mit sozialistischer Prägung eingeführt, kurz darauf bewarb sich Chen in Deutschland - und wurde von dem Lufthansa College für Air Transport aufgenommen.

Später bekam Chen eine Ausnahmegenehmigung in der südchinesischen Provinz Hainan, wurde zum Berater des Provinzgoverneurs in Sachen Flugverkehr und nahm sich der Gründung der Hainan Provinz Airlines an - aus der später das mächtige HNA-Konglomerat werden sollte. HNA ist inzwischen nicht mehr nur in der Luftfahrt, sondern auch in Immobilien, Finanzservice, Tourismus und anderen Sektoren aktiv. Erfolgreich. 2016 wurde die HNA-Gruppe als Nummer 353 in der Fortune-Rangliste der größten globalen Unternehmen genannt. Mit einem Umsatz von knapp 30 Milliarden US-Dollar und einem Jahresgewinn von 235 Millionen Dollar.

Die Affinität zur Luftfahrt

Der Vorsitzender der HNA-Gruppe: Chen, der seine Management-Arbeit und Entscheidungen gut unter einen Hut bringt mit seiner Tätigkeit als Mitglied im 11. Exekutiv-Komitee der Einheitspartei, das sich mit Industrialisierung und Handel auseinandersetzt. Den Luftfahrtswurzeln bleibt die HNA Gruppe insofern treu, als sie die Mutter der börsennotierten Hainan Airlines ist, der größten Luftlinie Chinas in privatem Besitz. Die Grenzen zwischen privat und Staat verschwimmen freilich mehr als in anderen Ländern.

Neben der Hainan Airlines betreibt die HNA-Gruppe noch die Tianjin Airlines, die Peking Capital Airlines, die Fluglinie Deer Jet (für Geschäftsreisende), eine Handvoll weiterer lokaler chinesischer Fluglinien, sowie die ghanaische Fluglinie Africa World Airlines und eine Beteiligung an der zweitgrößten französischen Fluglinie, Aigle Azur.

Auch der Finanzbereich von HNA hat seine Wurzeln im Transportwesen: Man ist unter anderem mit der Tochter Bohai Leasing der größte Leasinggeber im Bereich der Containerschifffahrt und der viertgrößte im Bereich der Luftfahrt mit derzeit knapp 550 Flugzeugen in Chens Leasingflotte.

Der Transportgedanke wurde von HNA offenbar konsequent weitergedacht - und die Tochter HNA Tourismus gegründet. Zum "Kerngeschäft" gehören organisierte Reisen sowohl aus als auch nach China. Die HNA-Reisebürotochter Caissa verfügt über mehr als 240 Büros in 100 verschiedenen Ländern. Davon sind drei Büros in Deutschland - Frankfurt, Hamburg und München. Ob die Namensgleichheit eine Hommage an die Göttin des Schachspiels, "Caissa", ist, oder eher an "Kaissa", das sowjetische Schachprogramm, das 1974 die erste Computerschachweltmeisterschaft gewann, sei dahingestellt. Ein Zufall ist das Evozieren von strategischen (Schach-)Zügen sicher nicht.

Zug um Zug baut HNA - wie andere chinesische Industriekonglomerate - seine globale Präsenz aus. 225 Milliarden Dollar gaben Konzerne aus China im vergangenen Jahr für Firmenübernahmen im Ausland aus. Den größten Deal landete die staatliche ChemChina, sie übernahm den Schweizer Pflanzenschutz- und Saatgut-Produzenten Syngenta für 43 Milliarden Dollar. Um die Lebensvermittelversorgung seiner Bevölkerung zu verbessern und die Abhängigkeit von Importen zu verringern, ist die Volksrepublik bereit, fast jeden Preis zu zahlen.

Die Zukäufe von HNA schlugen sich alleine 2016 mit 20 Milliarden Dollar zu Buche. Für 6,5 Milliarden Dollar wurden 25 Prozent der Anteile an der Hotelkette Hilton erworben. Weitere sechs Milliarden Dollar flossen in die Übernahme des US-Elektronik-Großhändlers Ingram Micro. Mit dem Kauf will HNA seine Logistiksparte stärken. Im Gespräch ist ferner ein Kauf des renommierten Wirtschaftsmagazins "Forbes".

Auch im Umfeld der Luftfahrt blieb HNA hochaktiv: So wurde Swissport für umgerechnet 2,6 Milliarden Euro gekauft, der weltgrößte Dienstleister im Bodenbereich von Airports; dieser umfasst Tätigkeiten wie Frachtverladung und Check-in. Auch der Schweizer Duty-Free-Händler Dufry und der ebenfalls in der Schweiz beheimatete Airline-Caterer Gategroup zählen nun zum HNA-Imperium.

Fokus Deutschland

Und Chen Fengs Beteiligungs- und Übernahmeappetit ist noch nicht gestillt: Diese Woche wurde bekannt, dass die HNA ihre Beteiligung an der Deutschen Bank auf 9,9 Prozent aufgestockt hat. Damit ist sie der größte Einzelaktionär von Deutschlands wichtigstem Geldinstitut, noch vor dem Langzeit-Großaktionär Katar. Der Konsolidierungskurs des Bank-Vorstandschefs John Cryan scheint die HNA-Gruppe zu überzeugen; sie war erst im Februar eingestiegen und hat nun binnen kurzer Zeit ihren Anteil verdoppelt. Jahrelang kannte der Aktienkurs der Bank nur einen Weg: abwärts. Vom Allzeit-Hoch von 118 Euro im Mai 2007 stürzten die Anteilsscheine auf 10,5 Euro im September vergangenen Jahres ab. Mittlerweile gewinnen auch andere Investoren wieder Vertrauen, die Aktie hält derzeit bei rund 17 Euro.

Auch abseits des Bankenwesens ist Deutschland ein Schwerpunkt der Investitionen von HNA. Die Gruppe soll Interesse an einer Beteiligung an Air Berlin haben, meldete die "Wirtschaftswoche". Die chronisch defizitäre Fluglinie musste 2016 einen Rekordverlust in Höhe von über 782 Millionen Euro hinnehmen. Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann sucht dem Vernehmen nach einem neuen Partner. Auch an der HSH Nordbank, die unter den weltweit gesunkenen Margen in der Schifffahrt leidet, sollen die Chinesen interessiert sein.

Unter Dach und Fach hat HNA bereits den Kauf des Regionalflughafens Hahn gebracht. Dort, in der Nähe des Hub Frankfurt, landen Billigflieger. Trotz Diversifizierung bleibt Chen auch im Ausland seinen Wurzeln des Erfolgs treu.