Chinas früherer Eisenbahnminister Liu zu Todesstrafe auf Bewährung verurteilt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Peking. Nur die überdimensionierte Brille erinnerte noch an den Mann, der bis vor zwei Jahren mit dem Eisenbahnministerium eine der mächtigsten Institutionen Chinas geleitet hatte. Doch flankiert von zwei hünenhaften Sicherheitsbeamten wirkte Liu Zhijun eingefallen und gebrochen, als das Zweite Mittlere Volksgericht am Montagmorgen in Peking das Urteil gegen ihn verkündete: Todesstrafe auf Bewährung.
Ausgesetzt auf zwei Jahre wird diese Strafe üblicherweise in eine lebenslange Haft umgewandelt, was bedeutet, dass der 60-Jährige frühestens nach Verbüßung von zehn Jahren aus dem Gefängnis entlassen werden kann. Das Gericht befand ihn für schuldig, Schmiergelder in der Höhe von 64 Millionen Yuan (umgerechnet 8,1 Millionen Euro) angenommen zu haben.
Die Fallhöhe könnte für den einstigen "Vater der Hochgeschwindigkeitszüge" nicht tiefer sein: Der Sohn eines Bauern aus der Provinz Hubei begann seine Karriere in den frühen 1970er Jahren als kleiner Büro-Beamter bei der Eisenbahn, wo er sich Schritt für Schritt nach oben arbeitete. Oder nach oben schummelte, wie kritische Stimmen schon früh anmerkten.
Doch durch seine rücksichtlose Effizienz sicherte er sich den Schutz der Parteigranden, die ihn 2003 als Minister zur treibenden Kraft der Modernisierung des Eisenbahnsystems machten. Dazu zählte mit dem Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes auch ein Prestigeprojekt der Kommunistischen Partei Chinas, das alleine hunderte Milliarden Euro verschlang. Doch im Rausch der ungebremsten Geschwindigkeit begann der Stern des Eisenbahnzaren zu sinken, als er plötzlich im Februar 2011 entlassen und drei Monate später aus der Partei ausgeschlossen wurde. Nach dem schweren Eisenbahnunglück von Wenzhou mit mehr als 40 Toten machten Berichte über eklatante Sicherheitsmängel die Rede, woraufhin das Eisenbahnministerium im März dieses Jahres zerschlagen wurde.
Jetzt machte das Gericht Liu Zhijun für diese Skandale verantwortlich, da er Bauprojekte und Frachtverträge gegen Bestechungsgelder bevorzugt vergeben haben soll. Mindestens elf Personen soll er gegen Zahlungen zu lukrativen Posten und Verträgen verholfen haben. Damit ist Liu das bislang prominenteste Opfer der Anti-Korruptions-Kampagne des neuen Staats- und Parteichefs Xi Jinping, der gegen korrupte Funktionäre und auch deren Familien vorgeht. Seiner Tochter ließ der gestürzte Eisenbahnchef aus dem Gerichtssaal daher folgendes ausrichten: "Ganz egal, was du tust - halte dich aus der Politik heraus!"