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Chirac droht Terroristen mit atomaren Waffen

Von Alexander U. Mathé

Europaarchiv

Abschreckung gilt nicht Fanatikern, sondern Staaten. | Frankreich mit neuer Atompolitik?


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Paris/Wien. Jacques Chiracs Drohung schlug ein wie eine Bombe: Frankreich will Nuklearwaffen gegen Terroristen einsetzen. In einer Rede zur Atompolitik des Landes sagte Frankreichs Präsident am Donnerstag, sein Land müsse in der Lage sein, hart gegen das Machtzentrum eines feindlichen Staates vorzugehen: "Die Führer von Staaten, die gegen uns auf terroristische Mittel zurückgreifen, sowie alle, die den Einsatz von Massenvernichtungswaffen erwägen, sollen wissen, dass sie sich einer harten und passenden Antwort unserer Seite aussetzen würden. Diese Antwort kann konventionell sein; sie kann auch anderer Natur sein."

Die nukleare Abschreckung diene aber nicht dazu, fanatische Terroristen abzuschrecken, sondern Staaten, sagte Chirac. Ob des schwelenden Atomstreits lag die Vermutung nahe, die Drohung des Präsidenten ziele auf den Iran. Laurence Auer, Sprecherin von Präsident Jacques Chirac, verneinte diese Mutmaßung im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Es sei eine allgemeine Haltung und niemand speziell angesprochen. "Der Präsident wollte auf gar keinen Fall auf den Iran anspielen", sagte Auer. Ganz von der Hand zu weisen war die Vermutung dann aber doch nicht. Im Iran fühlte man sich sofort angesprochen. Chiracs Drohung wurde als bissloses Zähnefletschen abgetan (siehe nebenstehenden Artikel).

Deutschland distanziert sich von Drohungen

Auch in Deutschland ging man sofort auf Distanz zu Chiracs Drohung. Der CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff verwies auf die laufenden Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, Länder wie den Iran davon abzubringen, Atomwaffen zu entwickeln. "Wir müssen diesen Ländern dabei glaubhaft machen, dass sich ihre Lage durch den Besitz von Kernwaffen nicht verbessern würde", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union.

Seitdem Frankreich in Besitz von Atomwaffen ist, ist Paris bestrebt, den Frieden durch eine auf totale Zerstörung ausgerichtete Abschreckungspolitik zu sichern. Nun scheint es so, als hätte Chirac dieser Einstellung eine Wende gegeben. Er erklärte, dass die nukleare Streitmacht Frankreichs weicher, flexibler und präziser geworden sein. Von einer Abkehr vom alten System wollte Auer aber nichts wissen. Zwar habe das auf die Zeiten des Kalten Krieges ausgerichtete System seit den Anschlägen vom 11. September angepasst werden müssen. Doch führe "Chirac den Kurs der Abschreckung durch Atomwaffen fort, wie er bereits seit den Zeiten de Gaulles gepflegt wird."