Stadt Paris erhielt bereits 2,2 Millionen Euro Entschädigung | In Frankreich wird mit Spannung der Prozess gegen Jacques Chirac (1995-2007) erwartet. Es ist das erste Mal, dass sich in Frankreich ein Ex-Präsident vor Gericht verantworten muss.
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Das Gericht muss zum Prozessauftakt am Montagnachmittag zunächst über die Annahme einer Verfassungsklage entscheiden, die das Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit hinauszögern könnte. Chirac sollte erst am Dienstag vor Gericht erscheinen. Der 78-Jährige ist wegen einer Veruntreuungsaffäre aus den 90er Jahren angeklagt. Damals war er zugleich Bürgermeister von Paris und Chef der konservativen RPR-Partei. Er soll unter anderem Jobs an Bekannte verteilt haben.
Als Bürgermeister von Paris soll er von 1977 bis 1995 fast 30 Scheinstellen über das Rathaus abgerechnet haben, auf denen in Wahrheit niemand arbeitete.
Chirac werden Veruntreuung öffentlicher Gelder und Vorteilsnahme vorgeworfen. Mit einer Verurteilung ist allerdings kaum zu rechnen: Die Stadt Paris hat nach einem Abkommen über eine Entschädigung in Höhe von 2,2 Millionen Euro darauf verzichtet, als Nebenklägerin aufzutreten. An ihre Stelle ist nun eine Anti-Korruptions-Organisation getreten. Staatsanwaltschaft Jean-Claude Marin hatte schon zuvor für eine Einstellung des Verfahrens wegen Beweismangels plädiert.
Für den Prozess wurde der Gerichtssaal, in dem 1793 die französische Königin Marie-Antoinette zum Tode verurteilt worden war, mit neuen Polsterstühlen für Chirac und neun weitere Angeklagten ausgestattet. Französische Medien spekulierten in den vergangenen Wochen über den Gesundheitszustand des Ex-Präsidenten. Nach Aussage seiner Frau Bernadette soll er hin und wieder Erinnerungslücken haben und schlecht hören. Das Gericht will nach vorläufigem Plan bis zum 4. April verhandeln. Wann das Urteil verkündet werden soll, steht noch nicht fest. (APA)