Frau starb nach Fehler bei einer Operation. Arzt muss 14.400 Euro Geldstrafe zahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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Es ist eine Operation, die zunächst nach Plan verläuft. Am 24. Mai 2018 werden einer Frau nach einem Zwerchfellbruch Magenteile aus der Brusthöhle verlegt. Der routinierte Chirurg wickelt den Eingriff ordnungsgemäß ab.
Doch dann passiert das Unglück. Als er das Loch bei der Durchtrittstelle schließt, sticht der Arzt in den Herzbeutel der Patientin. Der Fehler bleibt unbemerkt, Blut dringt durch das winzige Loch in die Herzkammer ein. Am nächsten Morgen stirbt die 58-Jährige an den Folgen eines Herzstillstands.
Ist diese Tragödie auch ein Fall für das Strafgericht? Diese Frage wirft am Mittwoch Richterin Beatrix Hornich auf. Sie urteilt am Wiener Straflandesgericht über den Chirurgen, der die Operation durchgeführt hat. Ihm wird grob fahrlässige Tötung vorgeworfen.
Der Arzt verwendete, als er das Netz am Bauchfell fixierte, einen anderen Sicherungsbügel als üblich. Dieser Bügel ist 1,7 Millimeter länger als jener, den der Chirurg sonst benutzt. In der Gebrauchsanweisung des Bügels werde explizit festgehalten, dass man ihn nicht an dieser Stelle beim Zwerchfell einsetzen dürfe, sagt die Staatsanwältin. Ansonsten bestehe das Risiko, mit dem Haken des Geräts in den Herzbeutel zu stechen.
"Genau das, was in der Gebrauchsanweisung steht, ist passiert", so die Anklägerin. Laut der Staatsanwältin hat der Arzt nicht lege artis gehandelt - also nach allen Regeln der ärztlichen Kunst. "Die Einblutung war kein schicksalhaftes Ereignis", sagt sie.
"Das war für mich gleichwertiges Gerät"
Der Angeklagte ist seit knapp drei Jahrzehnten Facharzt für Chirurgie. Bei Operationen wie der gegenständlichen sei dabei "nie was passiert", sagt sein Verteidiger Herbert Eichenseder. Sein Mandant übernehme die Verantwortung für das Unglück: "Aber er kann sich das, was passiert ist, nicht erklären. Das ganze OP-Team hat nichts bemerkt." Eichenseder ersuchte um einen Freispruch für den Arzt.
Die Operation sei unauffällig verlaufen und auch im Aufwachraum habe es bei der Patientin keine Probleme gegeben, sagt der Arzt. Erst am nächsten Tag sei es zum "Akutereignis gekommen".
Er erklärte, dass während des Eingriffs nicht das übliche Gerät bereit gelegen sei, um das Netz am Bauchfell zu fixieren. Das vorhandene Gerät - sogenannte Secure Straps - habe er aber als "gleichwertigen Ersatz angesehen". Dass es länger als das übliche Gerät ist und nicht bei solchen Eingriffen verwendet werden darf, habe er nicht gewusst.
"Ich kann als Chirurg nicht Dinge bedienen, von denen ich nichts weiß", sagt die Anklägerin. Der Arzt hätte sich vor dem Einsatz genauer über die Secure Straps informieren müssen. "Darf ich mir als Patient nicht erwarten, dass ein Facharzt das weiß?", fragt sie. "Das war für mich ein gleichwertiges Gerät", wiederholt der Chirurg. "Es wird Ihnen auch vorgeworfen, dass Sie das nicht gewusst haben", so die Anklägerin. Der Arzt schweigt.
Der medizinische Sachverständige, ebenfalls ein Chirurg, sieht in dem Fall eine "besondere Tragik". Eine grobe Fahrlässigkeit und ein besonders sorgloses Verhalten des Angeklagten seien auszuschließen: "Das kann man ihm sicher nicht unterstellen." Dem Arzt wären aber Alternativen offen gestanden. So hätte er sich das gängige Gerät per Taxi aus einem anderen Spital liefern lassen können oder die offene Stelle nähen können.
"War die Operation lege artis?", fragt die Staatsanwältin. Bis zum Einsatz der Straps sei sie das gewesen, so der Gutachter. "Und in der Gesamtschau?" - "Es war letztlich alles bis dorthin in Ordnung." Die Anklägerin fragt weiter und sagt, dass eine Operation ja auch trotz Komplikationen lege artis durchgeführt werden könne. Ob das hier auch der Fall gewesen sei, erkundigt sie sich. "Die Operation war nicht lege artis", antwortet der Gutachter.
Urteil nichtrechtskräftig
Richterin Hornich verurteilt den Angeklagten nicht wegen grob fahrlässiger, sondern wegen fahrlässiger Tötung. Dem Chirurgen sei "leichte Fahrlässigkeit" vorzuwerfen, so die Richterin. Es wäre Zeit gewesen, die passenden Geräte herbeizuschaffen. Zudem hätte sich der Chirurg über die Gefahren des Secure Straps informieren müssen.
Der Mann wird zu einer Geldstrafe von 14.400 Euro verurteilt oder einer Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.