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"Christen am meisten verfolgt"

Von Stefan Beig

Politik
Wegen der Konvertitin Sabatina James fand die Pressekonferenz unter Polizeischutz statt.
© Jenis

Staatssekretär Reinhold Lopatka fordert ein Frühwarnsystem der EU.


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Wien. Religiöse Gewalt, speziell an Christen, nimmt zu. Darin waren sich die Teilnehmer einer Pressekonferenz der Plattform "Solidarität mit verfolgten Christen" am UNO-Tag der Menschenrechte einig. Unter den weltweit religiös Verfolgten seien 70 bis 75 Prozent Christen, Tendenz steigend, unterstrich Staatssekretär Reinhold Lopatka. Er stützte sich auf Schätzungen von "Kirche in Not" und Erzbischof Silvano Maria Tomasi, dem Vertreter des Heiligen Stuhls bei der UNO. 105.000 Christen würden jedes Jahr wegen ihres Glaubens getötet, sagte Lopatka.

Damit die europäische Politik künftig nicht erst aktiv wird, wenn es zu spät ist, müsse ein Frühwarnsystem im Außendienst der EU errichtet werden, forderte Lopatka. Dafür bräuchte es ein kontinuierliches Monitoring, für dessen Aufbau sich auch Außenminister Michael Spindelegger am Montag in Brüssel eingesetzt habe. Weiters sollten die EU-Richtlinien für Religionsfreiheit und Schutz religiöser Minderheiten rasch verabschiedet werden, betonte der Staatssekretär.

Stark zugenommen habe die Christenverfolgung etwa in Nigeria, berichtete Kurt Igler von "Open Doors Österreich", und sie gehe auf das Konto der extremistischen Bewegung Boko Haram. Von Jänner bis September 2012 habe Boko Haram in Nord- und Zentralnigeria rund tausend Menschen getötet. Im Bundesstaat Yobe wurden mehr als 50 Kirchen zerstört. Ziel von Boko Haram sei die Errichtung eines von der nicht-islamischen Bevölkerung gesäuberteren islamischen Staat in Nordnigeria.

In Ägypten gebe es zwar keine organisierte Verfolgung der Kopten, das Bedrohungspotenzial sei aber seit dem Arabischen Frühling wesentlich gestiegen, sagte Johann Marte, Präsident der Ökumenischen Stiftung Pro Oriente, der vor kurzem in Kairo Gespräche mit Vertretern der koptischen Kirche geführt hat. Entführungen koptischer Mädchen, Erpressung von Schutzgeldern und Zwangsislamisierungen seien an der Tagesordnung. Der in Wien lebende Kopte Kamal Abd El Nour kritisierte dabei den gesellschaftlichen Einfluss der Muslimbrüder.

Konvertitin kritisiert Islam

Besonders stark gestiegen sei die Verfolgung in Pakistan. Die vergangenen zwei Jahre seien die blutigsten in der Geschichte Pakistans, resümierte Herbert Rechberger von "Kirche in Not". Regelmäßig würden Christen misshandelt, eingesperrt oder aus Dörfern vertrieben. Eine unselige Rolle spiele das Blasphemiegesetz, das allen, die den Koran beleidigen, mit lebenslanger Haft droht. Die pakistanische Autorin Sabatina James erzählte von zwei pakistanischen Politikern, die wegen ihres Einsatzes gegen das Gesetz ermordet wurden.

Wegen der Anwesenheit von James musste die Pressekonferenz unter Polizeischutz stattfinden. Sabatina James war als Kind nach Österreich gekommen und wurde nach ihrer Konversion zum Christentum von ihrer Familie verstoßen. Heute lebt sie unter Opferschutz in Deutschland. James machte Textstellen in den heiligen Schriften des Islam - Koran und Sunna - für die Verfolgung von Andersgläubigen und Konvertiten verantwortlich. Islamische Organisationen sollten solche Praktiken und Gesetzgebungen kritisieren und sich von entsprechenden Teilen der islamischen Lehre lösen, verlangte sie.

"Wir haben uns immer von solchen Vorfällen distanziert, sobald wir davon erfahren haben", meinte dazu Zekirija Sejdini, Medienreferent der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) gegenüber der "Wiener Zeitung". Für die IGGiÖ stehe der 256. Koran-Vers in Sure zwei über allen anderen Textstellen, dem zufolge es keinen Zwang in der Religion gibt. "Dieser Vers gilt für uns auf allen Ebenen, auch im Hinblick auf die individuelle Religionsfreiheit, im positiven wie im negativen Sinn - also zum Islam hin oder von ihm weg."

Eine Quote für christliche Asylanten aus dem Nahen Osten lehnte Staatssekretär Lopatka ab. "Die österreichische Rechtslage unterscheidet nicht nach Religionen." Es gebe für keine Gruppe Sonderrechte.