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Christenverfolgungen in aller Welt: Ein rein islamisches Phänomen?

Von Stefan Beig

Analysen

Christenverfolgung in islamischen Ländern wird heute in Europa und den USA viel genauer beobachtet als noch vor zehn Jahren. Dies hat freilich nicht nur mit der jeweiligen Problemlage zu tun. | Seit dem 11. September 2001 werden Toleranz und Demokratiefähigkeit des Islam zunehmend in Frage gestellt. Darüber hinaus nahm die Zahl der Muslime in westlichen Ländern stark zu. Die damit einhergehenden, lauter werdenden islamischen Forderungen nach ungehinderter Ausübung der eigenen Religion - von Moscheenbau bis zu Frauen mit Kopftuch im öffentlichen Dienst - wurden zum Bumerang: "Wie sieht es nun bei euch mit der Religionsfreiheit aus?", fragen immer mehr Menschen.


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Einige Muslime klagen über die aus ihrer Sicht tendenziöse Berichterstattung. Erstens könne man nicht die Christenverfolgungen auf den Islam selbst zurückführen, sondern viel mehr auf die heutige politische Situation in den jeweiligen Ländern. Zweitens seien im Irak oder Pakistan nicht allein Christen, sondern ebenso Muslime Leidtragende der Gewalt. Und dann gebe es auch Beispiele für ein positives Zusammenleben von Christen und Muslimen.

Die Einwände sind nicht unberechtigt. Dass sich die Lage der Christen in vielen islamischen Ländern in den letzten 50 Jahren deutlich verschlechtert hat, hat vor allem politische und gesellschaftliche Ursachen. Gerade Ägypten, wo in der Nacht auf 7. Jänner acht koptische Christen ermordet wurden, zeigt das. Noch in den 50er Jahren bekämpften Christen und Muslime gemeinsam den britischen Kolonialismus und das Königshaus, der spätere Präsident Abdel Nasser hatte ein gutes Verhältnis zum damaligen koptischen Papst Kirellos VI.

Erst mit der Förderung des politischen Islam, die zur Zeit des Kalten Kriegs auch vom Westen im Kampf gegen den Kommunismus betrieben wurde, verschlechterte sich die Situation. Die Bildungsmisere hat das Problem weiter verschärft: Mehr als die Hälfte der ägyptischen Bevölkerung sind Analphabeten und daher von Fanatikern leicht manipulierbar.

Doch all das ändert nichts am Faktum, dass die Leidtragenden einer gewaltsamen Auslegung des Islam vor allem auch Christen sind. Die Angriffe der Jihadisten in Ägypten galten in den vergangenen zehn Jahren fast ausschließlich der koptischen Minderheit. Und auch global gesehen haben es Christen in islamischen Ländern besonders schwer - ausgerechnet Saudi-Arabien, ein Verbündeter des Westens, ist Schlusslicht. An der Spitze des Weltverfolgungsindex der christlichen Organisation Open Doors liegt mit Nordkorea allerdings ein kommunistischer Staat.

Die wachsende Diskriminierung von Christen durch radikale Islam-Gruppen und totalitäre Regime ist ein reales Phänomen. Beachtung verdient es, aber nicht, um "Islam-Bashing" zu betreiben.

Siehe auch:Interview mit Bischof Anba Gabriel