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Christian Ortner und die "Amici delle D,M&B": eine Branche im Umbruch

Von Mariusz Jan Demner (Demner, Merlicek & Bergmann)

Gastkommentare

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Was Werber und Journalisten verbindet, ist das gemeinsame (Print)medium. Was sie trennt, ist der Umgang mit demselben. Während die Leser bei Werbern vermuten, dass alles, was sie erzählen, nur dem Zweck diene, ihre Kunden (erfolg)reicher zu machen, vermuten sie bei Journalisten, dass diese nichts anderem verpflichtet sind als gewissenhafter Recherche und der daraus resultierenden Meinung.

Was treibt einen profilierten Journalisten wie Christian Ortner dazu, in den Untiefen des Internets zu fischen und uns seinen Fang – so wie kürzlich in einem Gastkommentar der "Wiener Zeitung" – ungeprüft aufzutischen? Um das zu verstehen, muss die Kommunikationsbranche in einem zeitgemäßen Kontext gesehen werden.

Die galoppierende Digitalisierung hat einiges durcheinander gebracht: Der Werber kämpft in einer explosionsartig fragmentierten Medienlandschaft darum, seine Botschaften noch mit halbwegs Momentum ans Publikum zu bringen. Und der Journalist darum, dem Momentum der Echtzeit attraktive Alternativen gegenüberzustellen. Das führt zwangsgemäß zu neuen Arbeitsweisen. Werber wie Journalisten müssen bei deutlich mehr Aufwand, mit deutlich weniger Mitteln auskommen. "Kost fast nix", einer unserer erfolgreichsten Slogans, mutiert unter den Bedingungen des Web zu "Kost gar nix".

Nun gibt es, wie wir selbst schmerzhaft erfahren mussten, Werber, die sich den neuen Realitäten und Herausforderungen nicht stellen wollen – und es gibt umgekehrt Journalisten, die unter dem gleichen Druck, heute aus weniger mehr machen zu müssen, gelegentlich dazu neigen, auf Quellen zurückzugreifen, bei denen eine genauere Überprüfung angebracht wäre.

Zur Vorgeschichte: Die SVA, eine Institution der öffentlichen Hand, stellt fest, dass es nicht genügt, bloß Leistungen zu erbringen, sondern dass diese im gesellschaftlichen Sinne erst erbracht sind, wenn sie von den Versicherten bemerkt, verstanden und genutzt werden. Man will die Kommunikation mit den Versicherten intensivieren und sieht sich nach einer neuen Agentur um. In einem vierstufigen Wettbewerb, begleitet von Anwälten und Pitchberatern wird schlussendlich der Bestbieter, die Agentur Demner, Merlicek & Bergmann engagiert.

Die Bekanntgabe provoziert einige der "Amici delle SVA" zu Untergriffen gegen die SVA, nicht ohne Seitenhiebe gegen die beauftragte Agentur auszuteilen: "Die SVA leistet sich künftig eine der teuersten Werbeagenturen, nämlich Demner, Merlicek & Bergmann ... ein Skandal!" Eine Dame vom (PR)Fach, die wenige Tage zuvor noch die SVA wegen ihrer Kommunikation scharf kritisiert hat ("Gut gemeint ist nicht gut gemacht"), kritisiert nun, dass die SVA ihre Kommunikation verbessern will. Das in Form purer Vernaderung - denn über das Zustandekommen des Engagements hat sie sich gar nicht informiert. Und nicht auffallen wollte ihr und ihren Unterstützern, dass ja auch schon zuvor Agenturen beschäftigt waren.

Die Amici wurden von WerberInnen (mit)gegründet. Müsste also ein Wechsel von der bisherigen Agentur nicht gerade jenen entgegenkommen, die von der SVA eine transparentere, verständlichere Informationsvermittlung, kurz: einen besseren Dialog mit den Versicherten fordern? Keineswegs: Lieber versucht man einen Mitbewerber anzupatzen und der SVA die Kommunikation zu vermiesen. Warum weiß keiner, wenn man nicht davon ausgehen will, dass vielleicht der eine oder die andere "Amica" gar irgendwie an der SVA-Präsentation beteiligt gewesen sein könnten. Das ist eine Gemengelage, mit der man bei den Untiefen des Internets immer wieder rechnen muss. Erstaunlich ist, dass Christian Ortner das so aufgreift.

Bedenklich auch, wenn der Autor im neoliberalen Zwangsreflex gegen eine Institution mobil macht, von der er sich zwangsversichert fühlt und dabei verlangt, dass "mit den von den Versicherten abgepressten Beiträgen nicht die ‚Behübschung’ der SVA finanziert werden dürfe". Es könnte Herrn Ortner im Eifer des Gefechtes entgangen sein, dass die öffentliche Hand sogar in Österreich längst erkannt hat, dass die Information der Bürger (auch SVA-Versicherter) eine Bringschuld der Institutionen ist. Dementsprechend ist heute die öffentliche Hand in Summe der größte Auftraggeber von Werbewirtschaft und Medien.

Wenn Christian Ortner uns nun zurück in die Werbe/Medien-Steinzeit befördern will, kann das nur verwundern: insbesondere die vielen SVA-Versicherten, die in der Werbung oder in Medien arbeiten und von denen sich so manche(r) ohne solche Aufträge mit der Selbstständigkeit schwer täte.

Den Schluss, den ich aus Christian Ortners Schuss auf die SVA ziehe: Er zielt auf die SVA, trifft nebenbei deren Werbeagentur, aber schießt sich dabei vor allem auch ins eigene Knie. Denn getroffen und betroffen ist die gesamte Kommunikationsbranche, jene der Medien, Werber und auch jene der Journalisten.