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Chronik einer Ankündigung

Von Katharina Schmidt

Politik
Unter Verschluss. Die meisten Dokumente über Verwaltungsvorgänge bleiben derzeit unter Berufung auf das Amtsgeheimnis in den (virtuellen) Panzerschränken der Republik verwahrt.
© Rick Gayle/Corbis

Amtsgeheimnis: Transparenzgesetz.at lädt alle Parteien zu einem runden Tisch.


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Wien. In Österreich ticken die Uhren anders. Pomali, pomali und wohl durchdacht will hierzulande Vieles sein. So liegt zum Beispiel die Fünf-Parteien-Einigung zum Untersuchungsausschuss als Minderheitsrecht doch seit einigen Jahren in der Schublade - ohne jede Aussicht auf Umsetzung.

Vergleichsweise rasant ging es da im vergangenen Jahr in Sachen Transparenzgesetz zu: Seit Jänner 2013 macht sich die Initiative Transparenzgesetz.at rund um den ehemaligen Journalisten Josef Barth und den Parteienfinanzierungsexperten Hubert Sickinger für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses stark. In Österreich findet sich dieses bekanntermaßen immer noch im Verfassungsrang - weltweit fast schon ein Stand-alone-Merkmal.

ÖVP bremste Beschlussvor der Nationalratswahl

Anstelle des Amtsgeheimnisses fordern Barth und Co. ein Informationsfreiheitsgesetz nach Hamburger Vorbild. Neben dem verfassungsmäßig festgehaltenen Recht auf Information solle es eine Pflicht für alle öffentlichen Stellen (Ministerien, Behörden etc.) geben, Dokumente von sich aus - also ohne Anfrage durch Bürger - in einer allgemein zugänglichen Datenbank zu veröffentlichen. Zudem fordert Transparenzgesetz.at einen eigenen Informationsbeauftragten, der die Einhaltung der Veröffentlichungspflicht überwacht und in Streitfällen vermitteln kann.

Wenige Tage nach der offiziellen Präsentation der Initiative ging der damalige Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz mit der Forderung nach einem Informationsfreiheitsgesetz an die Öffentlichkeit, die SPÖ griff das Thema dankbar auf. Ein Regierungsentwurf kam rasch zustande - und verschwand ebenso rasch wieder in den Weiten des Wahlkampfes. Konkret hätte noch vor dem Sommer abgestimmt werden sollen, im letzten Moment zog der damalige ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf die Bremse und verlangte eine offizielle Begutachtung. Das verhinderte einen Beschluss vor Ende der Legislaturperiode, womit der Entwurf verfiel.

Also doch wieder pomali. Herbst und Winter waren Nationalratswahl und Koalitionsbildung gewidmet, aber immerhin fand das Thema Eingang ins Regierungsprogramm - noch in der ersten Hälfte 2014 solle es einen Entwurf für eine Verfassungsänderung geben, hieß es da.

Und tatsächlich: Nachdem Grüne und Neos im Jänner Entwürfe für ein Informationsfreiheitsgesetz im Nationalrat eingebracht haben - "zur Erinnerung", wie es von den beiden Parteien hieß -, hat vergangenen Samstag Kanzleramtsminister Josef Ostermayer im Ö1-"Mittagsjournal" einen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz noch in den kommenden Wochen angekündigt.

Alle Gebietskörperschaften und Unternehmen umfasst

Dieser soll, anders als der ursprüngliche Entwurf, nicht nur den Bund umfassen, sondern auch die Länder, wie es Neos und Grüne gefordert haben. Die Durchführungsgesetzgebung wird den Ländern überlassen, sie müssen sich dabei aber an die Vorgaben in der Verfassung halten.

Neben allen Gebietskörperschaften soll es auch eine Veröffentlichungspflicht für Gerichte und Rechnungshof-geprüfte Unternehmen geben - also all jene Firmen, an denen der Staat zu mehr als 50 Prozent beteiligt ist. Ausnahmen werden aber dem Vernehmen nach zum Beispiel bei "Wiener Zeitung" und ORF gemacht - schließlich gilt für Medienvertreter das Redaktionsgeheimnis. "Klar ist, dass das Redaktionsgeheimnis nicht umfasst sein kann", sagt der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser dazu. Allerdings könne man auch hier durchaus eine Veröffentlichungspflicht für Dokumente der Verwaltung einfordern. Weitere Ausnahmen werden bei Datenschutz oder öffentlicher Sicherheit gemacht. Steinhauser dazu: "Die Ausnahmen müssen genau definiert werden, sonst gibt es hier wieder Schlüpflöcher - es ist zum Beispiel klar, dass über manche militärische Angelegenheiten im Sinne der öffentlichen Sicherheit nichts veröffentlicht werden darf, über das Beschaffungswesen des Bundesheeres hingegen schon".

Die Grünen sind grundsätzlich bereit, mit der Regierung über eine Verfassungsmehrheit zu verhandeln - hätten sie diese doch schon im Sommer ermöglicht. Zur bequemen Absicherung könnte man die Neos hereinholen - beide Parteien fordern allerdings ein bundesweit einheitliches Gesetz. Wie auch Steinhauser zeigt sich Beate Meinl-Reisinger von den Pinken vorsichtig optimistisch "Ostermayers Vorstoß freut mich, aber schließlich steht das auch so im Regierungsprogramm. Jetzt muss man einmal schauen, was der Entwurf bringt", sagt sie.

Mehr Skeptizismus äußert Barth: Ostermayer habe genau das Gleiche gesagt wie vor einem Jahr. "Die Frage ist, ob die Regierung nicht mit dem Parlament redet" - denn für Barth ist das angekündigte Papier ein "Gegenentwurf" zu den im Parlament liegenden fertigen Entwürfen.

"Eines der wichtigsten Themen des Jahrhunderts"

Transparenzgesetz.at wird daher demnächst Einladungen zu einem runden Tisch an alle Parteien verschicken. "Es ist am gescheitesten, es setzten sich alle zusammen und reden darüber, schließlich ist Informationsfreiheit eines der wichtigsten Themen des 21. Jahrhunderts", sagt Barth.

Und wie sieht nun der Zeitrahmen aus? Während sich Steinhauser gemeinsame Verhandlungen über das Verfassungsgesetz und die Durchführungsgesetze - Letztere am Besten im Verfassungsrang - wünscht, erscheint das eher unwahrscheinlich. Dem Vernehmen nach sollen die genauen Maßnahmen erst 2015 definiert werden. Nur keine Eile.