Parteien sind die schlechtesten Vermittler von Demokratie, aber wir kennen keine besseren. Zu dieser Erkenntnis muss - den legendären Satz Winston Churchills über die Demokratie abwandelnd - gelangen, wer den Filz und Klüngel näher betrachtet, der offensichtlich mit dem Amtsantritt von Karl-Heinz Grasser als Finanzminister der Republik Einzug gehalten hat.
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Selbstverständlich entscheiden auch bei SPÖ und ÖVP Seilschaften gestützt auf persönliche Verbundenheit oder Abhängigkeit über Karrieren, heute nicht weniger als früher. Das bildet den Charakter auf ganz eigene Art; ob auf die bestmögliche für eine aufgeklärte, liberale Demokratie, ist eine andere Frage. Der damit verbundene Ausleseprozess stellt jedoch ein Mindestmaß an fachlicher Qualität und persönlicher Integrität der Karrieristen sicher. Nicht immer, aber doch meistens.
Was ich damit eigentlich sagen will: Die Ochsentour in klassischen Parteien ist nichts für Glücksritter aller Art. Die Aussicht auf solch einen mühsamen und zumeist langwierigen Aufstieg durch die Niederungen der Sekretariate und Vorfeldorganisationen hätte wohl die Buberl-Partie ebenso zuverlässig aus der Politik vertrieben wie Weihwasser den Teufel aus der Kirche.
Die FPÖ unter Jörg Haider dagegen zog Glücksritter wie Grasser, Meischberger, Rumpold, Hochegger, Plech und andere geradezu magisch an. Da gab es Action, Spaß, Glamour und natürlich Erfolg, kurz: Alles war völlig anders als sonst in der etablierten Politik, die ja als nervtötend langweilig empfunden wird. Völlig zu Recht übrigens.
Hoffentlich ist das vergleichsweise milde Licht, in dem SPÖ und ÖVP durch die täglichen neuen und immer ungeheureren Enthüllungen rund um die Amtszeit Grassers erscheinen, nicht bloß das Resultat einer medial verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit. Für eine Absolution für SPÖ und ÖVP besteht kein Grund, die von beiden geschriebene Geschichte der Zweiten Republik ist schließlich ebenso reich an Erfolgen wie an Beispielen von Korruption und persönlicher Bereicherung, nicht zu vergessen den berühmt-berüchtigten Club 45.
Die von Parteien vermittelte Demokratie ist also allzeit und per se anfällig für Korruption. Allerdings gibt es keine bessere. Es bleibt an den Bürgern, ihren Politikern auf die Finger zu schauen.