Kaum schaut es danach aus, als ob Vernunft in die Gesundheitspolitik einziehen möchte, ist es auch schon wieder vorbei - ich bin stinksauer.
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Da scheint der Gesundheitsminister sein, für mein Empfinden, sklavisches Verhalten gegenüber der Ärztekammer (der Minister machte einen Antrittsbesuch beim Ärztekammerpräsidenten, nicht umgekehrt!) abzulegen und für die Bevölkerung da zu sein, schon geht er auch wieder in die Knie! Warum?
Die Ärztekammer publizierte am 16. 12. Folgendes: Sie sehe "im Falle der Verwirklichung des Hauptverband-Planes (Anm.: Masterplan Gesundheit) die Gefahr einer gravierenden Aushöhlung der kassenärztlichen Versorgung, in der Folge eine Ausweitung der Staatsmedizin", und "dass Patienten und ihre Gesundheit keine Ware seien, deren Qualität und Preis sich an marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten orientierten." Also was jetzt? Was genau haben die Kämmerer da aus dem Plan gelesen (was ich nicht einmal ansatzweise finden konnte)? Verstaatlichung, Privatisierung oder beides gleichzeitig? Wurde da eine komplett neue Wirtschaftstheorie geboren? Oder werden einfach Klischees bedient, um zu mobilisieren - doch was soll rauskommen? Die Diktatur der ständischen Vertretung der Ärzteschaft?
Jedenfalls hat, am Tag nach diesen Veröffentlichungen, der Minister seine Meinung gegenüber dem Masterplan geändert. Hat er diesen vor kurzem noch gelobt, ist er jetzt überflüssig. Mehr noch, obwohl Ingrid Reischl, Vorsitzende der Trägerkonferenz im Hauptverband, in der alle gewählten Funktionäre - die Obleute - der Kassen sitzen, und selbst Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse, festhielt: "Alle Obleute stehen hinter dem Masterplan", meint der Minister: "Mir ist auch kein Beschluss der Kassen zu diesem Masterplan bekannt."
Und weil diese Kasperliade noch zu toppen ist, hat die Ärztekammer am 18. Dezember mittels Presseaussendung dem Hauptverband nicht nur jegliche Kompetenz (welche hat sie denn selbst, wenn man die Ausbildungssituation der Turnusärzte, die Arbeitssituation der Spitalsärzte oder das Einkommen der Hausärzte bedenkt), sondern auch die "demokratische Legitimation für Planung, Steuerung und Finanzierung im Gesundheitswesen" abgesprochen.
Schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Proponenten dieser Aussagen zusammen wohl nicht einmal 10.000 Stimmen auf sich vereinigen können. Stimmen übrigens, die nur gültig sind, wenn man in Ärztelisten geführt wird - ein exklusiver Klub. Stellt man das den Obleuten der Kassen und damit auch dem Hauptverband gegenüber, findet man dort drei Millionen Stimmen - so viele Österreicher gingen zu den, für die Besetzung der politischen Positionen relevanten, Arbeiter- und Wirtschaftskammerwahlen. Nicht, dass ich das für eine ideale demokratische Vorgangsweise halte - immerhin können vier Millionen Kinder, Arbeitslose und Pensionisten nicht mitstimmen - aber doch für deutlich demokratischer als dieses Ärztekammerdünkel.
Nun, ich gebe zu, dass im Masterplan einiges unlauter oder undiplomatisch verpackt ist, was den Ärzten sauer aufstoßen muss. Der Hauptverband hat Forderungen formuliert, von denen er wissen müsste, dass die für die Ärztekammer absolut unakzeptabel sind. Aber daraus eine solche Reaktion abzuleiten, ist echte Hybris.
Und wenn ich wählen könnte, dann fiele meine Wahl auf den Hauptverband - denn als Patient fühle ich mich in keiner Weise durch Ärztekammer oder Gesundheitsminister vertreten, daher verbitte ich mir auch, dass mich diese ständig für deren Eigeninteressen vorschieben.
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheits ökonom und Publizist.