Amnesty spricht von bewusstem Wegschauen bei Menschenrechts-Verstößen.
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New York. Die Zahl ist stattlich, aber wenig überraschend: 54. In dem Bericht, den die renommierte NGO Open Society Foundation dieser Tage in New York vorlegte, wird - teilweise penibel - aufgelistet, wie viele und welche Staaten und welcher Form diese im vergangenen Jahrzehnt mit dem amerikanischen Auslandsgeheimdienst CIA im Rahmen des "Kriegs gegen den Terror" zusammengearbeitet haben; die Bandbreite reicht von der Einrichtung und dem Betrieb von Geheimgefängnissen über die Weitergabe von Informationen über Terrorverdächtige und deren Freunde und Bekannte bis zur informellen Gestattung von Überflugrechten für illegale Gefangenentransporte.
Was dabei überrascht, sind einerseits Namen von Staaten, die darin nicht vorkommen: kein einziges aus Süd- und Mittelamerika; Frankreich, Russland und Japan; die Mehrheit Afrika - und andererseits Namen von Staaten, an die man in diesem Zusammenhang nicht zuerst gedacht hätte. Zum Beispiel Österreich.
Auftakten in Wien
Laut dem Bericht hat das Land einem geheimen Gefangenentransport der CIA widerspruchslos den Überflug gewährt, einem anderen das Auftanken am Wiener Flughafen. Zudem haben die Inlandsgeheimdienste mutmaßlich bei der Verhaftung eines in Wien lebenden Sudanesen mitgeholfen. Die ersten zwei Fälle sind belegt. Im Jänner 2003 war am Himmel über Österreich eine von der US-Army-Kaserne in Frankfurt/Main gestartete Transportmaschine vom Typ Hercules aufgetaucht, die Richtung Aserbaidschan unterwegs war. Die Abfangjäger des Bundesheers versuchten mit dem von der Firma Tepper Aviation betriebenen Flugzeug erfolglos Kontakt aufzunehmen (und ließen sie passieren). Die US-Botschaft in Wien versicherte damals, dass ihre Regierung mit dem Flugzeug nichts zu tun habe. Im Nachhinein kam heraus, dass die Hercules C-130 zur CIA-Flotte gehört, und der damalige "Air Chief" Erich Wolf gab zu Protokoll, dass man im Nachhinein erfahren habe, dass sich in dem Flieger Gefangene befunden hätten. Wie auch in einem anderen Fall, als man einem CIA-Flugzeug erlaubte, in Wien aufzutanken. Auch wenn manche Details erst jetzt bekannt sind: Neu sind diese Erkenntnisse nicht wirklich.
Assistenz bei Verhaftungen
In einem bereits 2007 erschienenen Bericht des Europäischen Parlaments war festgehalten worden, dass die Republik zudem wahrscheinlich bei der Verhaftung des in Wien ansässigen Massaad Omar Behari assistiert hat. Behari war am 13. Jänner 2003 am Flughafen Amman festgenommen worden, als er sich gerade auf dem Weg zurück nach Österreich befand. Der sudanesische Staatsbürger war laut dem Bericht der Open Society Foundation zuvor schon seit langem vom Verfassungsschutz beobachtet worden. Erst im April tauchte Behari wieder auf. Nach eigener Aussage sei er vom jordanischen Geheimdienst auf CIA-Geheiß gefoltert und misshandelt worden, ohne Anklage und Verhandlung. Nebulös auch die Umstände der Verhaftung des damals ebenfalls in Österreich lebenden Ägypters Gamal al-Menshawi, der im Februar des gleichen Jahres am Weg nach Mekka ebenfalls am Flughafen Amman verhaftet und anschließend in ein Geheimgefängnis in Ägypten verfrachtet wurde, wo er zwei Jahre ebenfalls ohne Anklage festgehalten wurde.
Neben Wolf kommt im Bericht auch der damalige Innenministeriums-Sprecher Rudolf Gollia zu Wort, der - nachdem Parlamentsabgeordnete 2006 einschlägige Anfragen gestellt hatten - mit den Worten zitiert wird: "Nachdem die kolportierten Entführungen nicht auf österreichischem Boden, in einem österreichischen Flugzeug oder auf einem österreichischen Schiff stattgefunden haben, gibt es keinen Grund für eine Untersuchung." Der Aussage von damals hat man im Innenministerium auch heute offiziell "nichts hinzuzufügen".
Das österreichische Außenministerium reagiert auf Anfrage ähnlich: Bei den Vorwürfen handle es sich um "reine Spekulation", so Sprecher Martin Weiss, der Bericht sei vage formuliert. Es habe eine Überprüfung gegeben, dabei sei nichts gefunden worden.
"Bewusst weggesehen"
Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, will sich dem nicht so ohne weiteres anschließen: Man habe in Österreich bewusst weggesehen, um "den großen amerikanischen Freund in seinem absurden Kampf gegen den Terror nicht zu verärgern", so Patzelt. Der Fall liege klar auf der Hand: Die USA hätten ein ziviles Flugzeug angemeldet, dann habe die österreichische Luftraumüberwachung auf dem Radar eine Hercules, also ein Militärflugzeug, entdeckt.
Abfangjäger hätten die US-Maschine nicht zur Landung gezwungen, sondern "brav eskortiert": "Die österreichischen Sicherheitsbehörden haben genau gewusst, was sie nicht wissen wollten", so Patzelt. Man hätte im Falle eines Eingreifens möglicherweise "Dinge vorgefunden, mit denen man sich nicht auseinandersetzen wollte".
Die Vorwürfe der Open Society Foundation im Zusammenhang mit den zwei Migranten, die am Weg nach Österreich bzw. nach Mekka festgenommen wurden, "stimmen auch", sagt Patzelt. Diese seien im US-Verhör über Dinge befragt worden, die "in Summe vor allem die österreichischen Sicherheitsbehörden wissen müssten.". Da gebe es zumindest "recht erhebliche Verdachtsmomente", dass Informationen an die USA geflossen seien. Im Vergleich zu anderen EU-Staaten sei Österreichs Beitrag aber klein gewesen, sagt Patzelt. Er kritisierte vor allem, dass quer durch die EU immer noch ein Schweigeabkommen gebe. "Da wird gemauert, getäuscht, getarnt." Man wolle die Sache aussitzen und hoffe, dass sie in Vergessenheit gerate. "Das ist das ungeheuerlich."