Nach nur zehn Jahren ist das Großkino an der Reichsbrücke reif für die Abrissbirne.
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Wien. Nachhaltiges Planen und Bauen sieht gewiss anders aus: Gerade einmal zehn Jahre nach der Eröffnung wurde das Cineplexx-Großkino an der Reichsbrücke vergangenen September aus Kostengründen wieder geschlossen; nun werden seitens des neuen Eigentümers Pläne gewälzt, das alles andere als baufällige Gebäude, in dem sich auch die Kinderstadt Minopolis befindet, abzureißen und stattdessen einen großen Wohnblock - direkt an der mehrspurigen Verkehrsader - zu errichten. Nicht nur, dass dieses Projekt noch zu Diskussionen führen könnte, ist damit der einstige Boom der Wiener Großkinos endgültig auf dem harten Boden der Realität angekommen.
Ende der 1990er-Jahre hatte der Trend der Kino-Plexe auch die Bundeshauptstadt erfasst - mit relativ unkontrollierten Auswüchsen, die zunächst zu einer Marktbereinigung bei den Traditionskinos im innerstädtischen Bereich geführt haben; im Kolosseum-, Eos- und Flotten-Kino gingen beispielsweise für immer die Lichter aus. Zugleich dauerte es nicht lange, dass die entstandenen Überkapazitäten auch den neuen Lichtspielriesen zusetzten und zu einer weiteren Schließungswelle führten: Die Großkinos im Auhof-Center, den Gasometern und am Wienerberg schlitterten in die Pleite und benötigten neue Eigentümer; jenes in der Lassallestraße sperrte im Jahr 2002 komplett zu und mutierte zu einer riesigen Kino-Ruine im Stadtbild, die erst zehn Jahre später umgebaut werden sollte. Vom einstigen UCI-Komplex konnte allerdings nur ein Saal für den Neubau integriert werden - der Rest musste abgerissen werden, um den Standort für Hotel, Büro und Geschäfte zu nutzen. Nicht viel anders dürfte es dem Kino an der Reichsbrücke ergehen, wo mit der "S+B-Gruppe" derselbe Eigentümer wie in der Lassallestraße am Werk ist.
Grüne verlangen Auflagen
Knackpunkt des neuen Projekts mit dem Titel "Danube flats" wird sein, an der Reichsbrücke tatsächlich attraktive Wohnungen errichten zu können: "Mit Schallschutzwänden und durch Ausrichtung der Wohnungen ist das machbar", meint "S+B"-Chef Wolfdieter Jarisch; zumal die Lage zwischen Alter und Neuer Donau sehr reizvoll sei. Derzeit läuft ein Architekturwettbewerb, der entsprechende Lösungen für den Standort bringen soll. "Es muss natürlich das Programm der Grünen punkto Verkehr, Freiräume und ökologisches Bauen erfüllt werden. Ich denke aber doch, dass dort hochqualitatives Wohnen möglich ist", erklärt der grüne Planungssprecher Christoph Chorherr, der Mitglied der Wettbewerbsjury ist.
Nun gelte es, die Fehler der Vergangenheit, die großteils aus der Ära von ÖVP-Planungsstadtrat Bernhard Görg stammen, auszumerzen - denn trotz des schon damals kritisierten Kinowildwuchses gab es keine Nachnutzungskonzepte für diese Bauten. "Da hat man damals einen Blödsinn gebaut, jetzt bauen wir etwas Gscheiteres hin", meint Chorherr salopp.
Auch Jarisch ist der festen Überzeugung, dass es weder technisch noch wirtschaftlich sinnvoll sei, das bestehende Kino zu adaptieren. "In den vergangenen zehn Jahren hat sich punkto Energieeffizienz und Umweltschutz so viel getan, dass ein Neubau einfach besser ist." Außer den Wohnungen soll es in dem Projekt Platz für einen Kindergarten und ein Ärztezentrum geben. Je nach Dauer des nötigen Umwidmungsverfahrens könnte der Neubau frühestens 2015 fertig sein.
Keinen Platz mehr wird es an der Reichsbrücke allerdings für die Kinderstadt Minopolis geben, die derzeit noch in dem Gebäude untergebracht ist. "Wir suchen bereits einen neuen Standort, der verkehrstechnisch auch so gut erschlossen ist", sagt eine Minopolis-Sprecherin. Da durch die Kino-Schließung der Standort leide, werde ein baldiger Auszug angestrebt.