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Civitas-Anleihen statt Corona-Bonds

Von Holger Blisse

Gastkommentare
Holger Blisse ist Wirtschafts- und Sozialanalytiker und unter anderem auf kreditwirtschaftliche, genossenschaftliche und sozialpolitische Themen spezialisiert.
© privat

Wie die Finanzierung einzelner EU-Staaten in nationaler Selbsthilfe gelingen könnte.


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In den 1980ern drängte die Zeit bei lateinamerikanischen Staaten, mit Einsetzen der Finanzmarktkrise 2007 in europäischen Ländern wie Portugal, Italien oder Griechenland. Mexiko gilt als ein Vorbild, wie es seine Schuldenkrise gelöst hat. Die Gesellschaft hatte jedoch große Opfer zu erbringen und zahlte hohe Realzinsen an internationale Gläubiger. Ähnlich belastend waren die Maßnahmen etwa für die Bevölkerung Griechenlands. Demgegenüber entlastet heute die nahezu zinslose Neuverschuldungsmöglichkeit für europäische Staaten den Schuldendienst, erleichtert sogar eine Entschuldung.

Durch die Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus hat sich die Lage grundlegend verändert. Der wirtschaftliche Verkehr ist unterbrochen, Geld(zu)flüsse unterbleiben. Zum Schutz der Bevölkerung haben die einzelnen EU-Staaten sehr unterschiedliche Maßnahmen eingeleitet. Sie nähern sich im Zeitverlauf einander an, tauschen sich aus und lernen.

Ließe sich diese Erfahrung auf die Finanzierung nationalstaatlicher Rettungsmaßnahmen übertragen, indem sich die Staaten ebenso nationaler Instrumente zur Lösung bedienen würden? Corona-Bonds der EU hätten gerade für höher verschuldete Staaten den Vorteil, am Kapitalmarkt Geld zu günstigeren Bedingungen zu bekommen, als wenn sie als Einzelschuldner auftreten. Doch die Befürchtung ist groß, dass Corona-Bonds die Vergemeinschaftung von Schulden auf EU-Ebene einleiten würden und sogar frühere Einzelbelastungen künftig von allen EU-Staaten zu tragen wären. Außerdem stellt sich die Frage, wer diese Corona-Bonds kaufen sollte.

Andauernde Zahlungsschwierigkeiten sollten generell nicht durch neue Schulden gelöst werden. Eher wäre das Wachstums- oder - im Hinblick auf den Umweltschutz - das Entwicklungspotenzial stark verschuldeter Länder zu heben. Dabei sollte nicht alles zum Verkauf stehen, und soziale Standards sollten geschützt bleiben, um zu verhindern, dass die Staaten selbst beziehungsweise ihre Bürger verarmen.

Daher erscheint es gerade jetzt angezeigt, an die Solidarität der finanziell am wenigsten von der Krise betroffenen Personen und Unternehmen im nationalen Maßstab zu appellieren, es dem Vorbild Japan gleichzutun und Geld direkt zur Verfügung zu stellen. Neue oder höhere Steuern ließen sich vermeiden, wenn der Staat die Bürgerschaft (Civitas) einlüde und Teile von ihr verpflichtete, eine verzinste und rückzahlbare Obligation zu zeichnen: eine nicht frei handelbare Civitas-Anleihe. Diese wäre einer Bundesanleihe vergleichbar und würde übers Bankensystem ausgegeben. Die Bedingungen könnten vorsehen, dass sie frühestens zwei Jahre nach dem offiziell erklärten Ende der Corona-Gefahr zurückgezahlt würde. Der pro Person zu zeichnende Betrag hinge vom zu versteuernden Einkommen ab, freiwillig könnte mehr oder überhaupt gezeichnet werden. Der Zinssatz würde sich am für Corona-Bonds erwarteten Wert orientieren. Alle Anleihe-Inhaber beziehungsweise der Staat wären berechtigt, künftige oder bestehende Steuerlasten durch Tilgung der Anleihe auszugleichen.