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Clash zwischen zwei System-Kulturen

Von Franz Witzeling

Gastkommentare

Warum das Projekt E-Government nicht so ohne weiteres klaglos funktioniert, ist leicht erklärt. Einer der Gründe dafür ist, dass die Frage der System-Kompatibilität nie gestellt wurde.


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Alle, die nach der Verwaltungsreform rufen und sich wundern, dass in diesem Zusammenhang die Anwendung der modernsten Kommunikationstechnologien im Projekt E-Government nicht so greift, wie man sich das vorstellen könnte, sollten sich bewusst machen, dass man die Frage nach der System-Kompatibilität nie gestellt hat.

Passen die beiden Kommunikationskulturen überhaupt zusammen? Auf der einen Seite die traditionsbehaftete Welt der K&K-Bürokratie und auf der anderen Seite die Wirklichkeit einer global vernetzten Kommunikationskultur, die auch Österreich nicht als die Insel der Seligen gedeihen lässt.

Vernetzen und Synergien schaffen oder das System bewahren im Verwalten - das sind die paradigmatischen Reizwörter, die die politische Zerreißprobe betrifft, die die Entscheidung der Durchsetzung der Verwaltungsreform von Tag zu Tag immer mehr herankommen lassen wird. Wenn man das Zusammenprallen zweier Organisationskulturen bewusst wahrnehmen will, muss man besonders auf die Motive für den Erhalt oder die Reformwilligkeit der staatlichen Verwaltung schauen. Der klassischen systembewahrenden Bürokratie wird durch die modernen Möglichkeiten der Kommunikationskultur die Fähigkeit zur Selbstorganisation vorausgesetzt.

Betrachtet man die Bildungssozialisation der im Arbeitsprozess befindlichen Generation realistisch, dann kann man davon ausgehen, dass das notwendige selbständige Handeln und das selbständige Herbeiführen von Entscheidungen, geschweige denn das Setzen innovativer Handlungen mit nur wenigen Ausnahmen nicht möglich sind.

Der fromme Wunsch der dominant technologisch denkenden Architekten von E-Governement, das gegenwärtige System in den zentralen Aufgaben (Stichwort: elektronischer Akt) zu spiegeln, geht am Bürger vorbei, wie die mageren Nutzungsgewohnheiten zeigen. Wenn man ein Amt betritt, geht es um Kommunikation und um den Kontakt mit den das Anliegen bearbeitenden Beamten.

HR (Human Ressources) ist der moderne Begriff, der dieses Bedürfnis der persönlichen Betreuung unterstreicht. Die Idee, die stark angenommenen sozialen Netzwerke als "Brückeninfrastruktur" zwischen Bürger und Bürokratie einzuführen, ist sehr naheliegend, da gerade die Beziehungskultur damit auf kommunikativer Basis bestens bedient wird.

Selbstbestimmung oder sich fremdbestimmt fühlen und das Gefühl haben, vom Staat noch mehr bevormundet und kontrolliert zu werden - das ist der Knackpunkt, nicht nur in der Frage der Umsetzung der Verwaltungsreform. Das Zauberwort ist und bleibt in beiden Organisationskulturen "Kommunikation".

Wesentliche Punkte dabei sind die Option der kreativen Gestaltungsfreiheit für Beamte und das Gefühl der Kooperationsbereitschaft bei den Dienstleistungen in Anspruch nehmenden Bürgern.

Franz Witzeling ist Psychotherapeut und Kommunikationspsychologe.

Dieser Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht zwangsläufig mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.